bright darkness - strahlende Dunkelheit (German Edition)
gestern gewesen wäre. Sanft strich er mit seinen schlanken Fingern die Strähne wieder zurück, wo sie hin gehörte. Behutsam befestigte er sie mit einer der Haarnadeln. Dann fuhr er über meine Wangen und sagte mir, wie wunderschön meine Haare wären. Er verglich sie stets mit dem Leuchten der Sonne. Wo wird wohl unser nächstes heimliches Rendezvous stattfinden? Und vor allem wann? Mein Herz sehnt sich danach, seine Stimme zu hören, sein Gesicht zu betrachten und vor allem nach seinen treuherzigen blauen Augen. Wie könnte ich mit jemand anderem tanzen, lachen oder mich gar amüsieren? Wie könnte ich es mit meinem von Liebe erfüllten Herzen vereinbaren, einem anderen meine Aufmerksamkeit zu schenken, wo ich doch jede meiner freudigen Erfahrungen mit ihm teilen wollte. Nie wieder wollte ich ohne ihn Spaß empfinden. Meinen Eltern zuliebe machte ich mich zurecht und leistete ihnen Gesellschaft. Ich begrüßte unsere Gäste an ihrer Seite und wechselte mit dem einen oder anderen einige Anstandsworte. Die Menschen langweilten mich mit ihren Gesprächen über Politik, Medizin, Forschung oder Gerüchten von weniger gut situierten Familien. Mein Vater genoss die Gesellschaft von wissenschaftlich kultivierten Männern, und meine Mutter, tja, meiner Mutter lag sehr viel an unserem Ansehen. Sie prahlte mit teuren Kleidern, Geschirr aus edelstem Silber und stellte sich selbst immer besser dar, indem sie andere schlecht redete. Sie war sehr gut in ihrer Rolle der reichen vornehmen und stolzen Hausfrau. Sie engagierte sich für Wohltätigkeitsveranstaltungen und organisierte politische Zusammentreffen, bei denen sich Vater präsentieren konnte. Auch er spielte seine Rolle perfekt und ergötzte sich an seinem Ansehen. Wie ich dieses vornehme Getue hasse. Manchmal wünschte ich, wir wären arm. Doch dann würde ich ihn vermutlich nie kennengelernt haben. Womöglich hätte ich nie die Gelegenheit, auch nur in seine Nähe zu gelangen. Ob er in diesem Augenblick mit einer anderen tanzt? Er hat mir versichert, für kein anderes Mädchen Augen zu haben. Nur ich würde die Freude in seinem Leben sein.
Eifersucht stieg in mir hoch, als ich diese schwärmerischen Zeilen las und blätterte weiter nach vorne in der Hoffnung, mehr über William zu erfahren.
18.1.1832
Liebes Tagebuch, heute ist Williams achtzehnter Geburtstag. Selbstverständlich trug ich mein schönstes Abendkleid zu seiner Geburtstagsparty. Das Schulterfreie in zartrosa mit weißer Schärpe. Mein Lieblingskleid. Es gefiel ihm, so wie ich es erwartet hatte. Er sagte, es unterstreiche geschmackvoll meinen liebreizenden Charme. Ich weiß wie gut mir das Kleid steht, doch es ist kein Vergleich zu ihm. Er stand in der Menge wie ein Mann von Welt. Stattlich, imponierend und ansehnlich. Außerordentlich attraktiv. Er sah älter als achtzehn aus. Eher wie einundzwanzig. Als er mich zum Tanz aufforderte, erweichten meine Knie. Während er mich elegant durch den Saal wirbelte, schmolz ich in seinen starken Armen dahin. Mit seinem durchdringenden Blick fesselte er mich an sich und ließ mir keine Möglichkeit an etwas anderes zu denken als daran, ihn zu küssen. Er lächelte sein zauberhaftestes Lächeln. Jenes, das seine Augen zum Funkeln und seine strahlend weißen Zähne zum Vorschein bringt. Seine dunkelblonden Haare betonen seine tiefblauen Augen wie der dunkelste Himmel den hellsten Stern. Wem sonst außer ihm sollte ich mein Herz schenken. Nachdem wir getanzt hatten, machten wir einen langen Spaziergang in seinem romantisch angelegten Garten. Seine Mutter plante die Gartengestaltung und es war nicht zu verkennen, dass es das Werk einer sensiblen Frau war. In seinen Worten lag Bewunderung und Hochachtung, als er von seiner Mutter sprach. Er liebte sie sehr und sein Blick wurde traurig, als er mir ein Geheimnis verriet. Sie ist krank und darf nicht länger auf ein langes Leben hoffen. Eine böse Lungenkrankheit bereitet ihr Schmerzen. Seine Stimmung war gedrückt und ich schenkte ihm trostspendende Worte. Es waren wohl die richtigen, denn er sprach den restlichen Abend von nichts anderem als unserer Zukunft. Trotzdem konnte er den Kummer in seinen Augen nicht verbergen. Er fragte mich, ob ich mein Leben mit ihm verbringen wolle. Ohne zu zögern, willigte ich ein. Mein Herz rast jetzt noch bei dem Gedanken daran, ganz in Weiß neben ihm zu stehen und ihm die ewige Treue und Liebe zu schwören. Seit ich ihn das erste Mal sah, denke ich an nichts anderes, als seine Frau zu
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