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Bring mich heim

Bring mich heim

Titel: Bring mich heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Wagner
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sollte. So konnte er nicht mit seinen Patienten sprechen, die seiner Meinung nach ohnehin schon labil waren. Jedoch so weit kam ich nicht mal. Er machte kehrt und grummelte vor sich hin. »Vielleicht sollten Sie ja mal überlegen in eine Anstalt zu gehen.«
    »Wie bitte?«, zischte ich wütend zwischen meinen Zähnen hervor. »Sie ... Sie ... Was fällt Ihnen ein, mit Ihren Patienten so zu sprechen und über sie zu sprechen. Ich stehe nach wie vor hier. Direkt hinter Ihnen!«
    Bedächtig drehte er sich um, zupfte sich seine eiergelbe Krawatte zurecht und sah zu mir durch seine Brille herab. »Wissen Sie, Frau Lang, ich denke, Ihre Situation ist weit prekärer, als Sie es wahrhaben wollen. Bedenken Sie das gerade Gesagte.« Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging in sein Büro. Die Tür schlug er lautstark hinter sich zu. Mich ließ er einfach in seinem Warteraum stehen.
    Es brachte mich zum Nachdenken. Wenn nicht einmal ein Psychiater mit meiner Situation umgehen konnte, wie sollte ich es dann?
    Dr. Weiß konnte mir trotz allem helfen. Er war ein anderer Typ und wusste, wann er wie mit mir arbeiten konnte. Er hatte mehr Feingefühl und ließ mich ich sein, ließ mich auch still sein, wenn ich wollte. Forderte mich dann, wenn er wusste, ich würde ihm das georderte Kontra geben.
    »Wie geht es Ihnen heute, Mia?« Die obligatorische Frage gleich zu Beginn. Mein Therapeut lehnte sich in seinem roten monströsen Samtsessel vor und legte seine Ellenbogen auf seinen Knien ab.
    Ich holte tief Luft, sah kurz auf die stuckverzierte Decke, und ließ sie wieder aus meinen Lungen. Meine Füße verschränkte ich zu einem Schneidersitz und ich machte es mir auf der roten Ledercouch bequem.
    Dr. Weiß wartete wie jedes Mal unbeirrt auf meine Antwort. Es war wie immer dieselbe Antwort. Wenn ich sie noch tausend Mal wiederholte, glaubte es mir vielleicht auch irgendwann jemand.
    Emotionslos sagte ich: »Es geht mir gut, Dr. Weiß.«
    »Sagen Sie bitte Josef zu mir.« Es war eine seiner Vorgaben, dass man ihm beim Vornamen ansprechen sollte. Seiner Meinung nach sollte es die Bindung zwischen uns stärken. Und wo genau lag nun der Unterschied, ob ich ihn bei seinem Vor- oder Nachnamen anredete? Er blieb ein Fremder, welcher Dinge aus mir herausbekommen wollte, die ich nicht wirklich willig war preiszugeben. Weil er ein Fremder war. Dennoch gab ich immer wieder mehr her, als ich vorhatte. Er verstand es, mich zum Sprechen zu bringen.
    »Es geht mir hervorragend , Josef«, sagte ich sarkastisch im hohen Ton.
    Er stieß einen lauten Seufzer aus und lehnte sich zurück, die Beine überkreuzte er. »Sie benehmen sich sehr oft wie ein bockiges Kleinkind, Mia«, sagte er mit tiefer ruhiger Stimme. »Sie sind 24 Jahre.«
    Ich unterbrach ihn, bevor er mir einen richtigen Vortrag halten konnte. »Wissen Sie, Josef , vielleicht möchte ich wieder ein Kleinkind sein. Vielleicht möchte ich keine 24 mehr sein«, sagte ich scharfzüngig.
    Vielleicht mochte ich das wirklich nicht mehr.
    »Gut, ich habe den Hinweis verstanden. Überspringen wir diese höflichen Begrüßungsfloskeln.« Ich nickte ihm dankend zu.
    »Ich möchte heute etwas mit Ihnen besprechen. Wir machen nur kleine Fortschritte. Aber immerhin geht es leicht bergauf. Sie haben mit Sicherheit noch einen harten Weg vor sich, bis Sie das Gefühl der Freude wieder erreichen. Und ich hoffe für Sie, dass Sie es finden. Aber da bin ich doch recht zuversichtlich.«
    Ich musste seinem Blick ausweichen. Er war gut, er wusste genau, was ich wollte. Ohne, dass ich je mit ihm darüber gesprochen hatte.
    »Ich denke nur, dass wir hier so nicht weiterkommen. Ich möchte ...«
    Rasch blickte ich hoch. Er wollte mich auch fortschicken. Das wollte ich nicht. Dr. Weiß war der Erste, der mich zu verstehen versuchte. Erschrocken sah ich ihn an.
    »Keine Sorge«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Hören Sie mir gut zu. Ich möchte Sie nicht wieder weiterschicken. Das bringt nichts.«
    Ich probierte den Kloß, welcher sich in meinem Hals gebildet hatte, zu schlucken. Ich fühlte mich wohl hier. Auch wenn ich es nicht zugab.
    »Sie kommen an diesem Ort nicht weiter. Der Fortschritt stockt. Es gibt zu viele Erinnerungen. Erinnerungen, die Sie nicht sehen wollen, über die Sie nicht sprechen möchten.« Gespannt hörte ich ihm zu. »Sie sollten eine Reise wagen. Es geht Ihnen so weit gut. Sie sind nicht mehr suizidgefährdet. Sie müssen nur noch loslassen lernen. Ich gehe Ihnen vermutlich abermals auf den

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