Bring mich heim
Arzt kühl.
Mit zittriger Stimme stammelte ich: »Tumore? Ich habe ... habe Krebs?«
Dr. Oberbichler übernahm. Er setzte sich zu mir aufs Bett und fing vorsichtig zu reden an. »Frau Lang, wir fanden gerade ein Melanom unter ihrer Achsel.« Ich blickte ihn weiterhin starr an und rührte mich nicht. Mein zuvor noch schneller Puls und rasendes Herz begannen sich wieder zu normalisieren. Mein Kopf realisierte nicht, was soeben geschah.
»Sie haben Hautkrebs. Und dem Anschein nach bereits im dritten Stadium.«
Chris sprang von seinem Sessel, sodass dieser beinahe umfiel.
»Was bedeutet das nun?«, sagte er hastig, fuhr sich mit seiner Hand durch sein schon zerzaustes Haar.
»Nur mit der Ruhe. Weiteres erfahren wir, sobald die Operation beendet ist«, sagte er mit dem Blick auf Christoph. Dr. Oberbichler wendete sich zu mir. »Ich möchte Ihnen keine Angst machen. Die Diagnose ist nicht einfach. Wir rechnen damit, dass der Tumor bei der Leber bereits eine Metastase ist. Eine Tochtergeschwulst. Der Krebs hat sich also weiter verbreitet.« Der Doktor sah mich erwartungsvoll an. Wartete er auf eine Antwort? Eine Reaktion meinerseits?
Darauf konnte ich nichts antworten. Ich wusste in dem Moment nicht, wie ich mit diesen Informationen umgehen sollte. Es klang unrealistisch. Warum sollte genau mir so etwas passieren? Ich fühlte mich nicht krank. Ich hatte doch nur Fieber und gestern dieses Bauchweh, welches wieder verschwunden war. Es ging mir doch gut.
Chris war außer sich und stampfte durch das Zimmer auf und ab.
Und ich ... ich fühlte mich ruhig, gelassen. Leer ...
Ich realisierte es schlichtweg nicht.
Kapitel 7
Mia – Keine langfristigen Pläne
Richtung Budapest, Juni 2012
Der Zug fuhr seit einer Stunde. Ich versuchte in dieser Zeit die Welt um mich, auszuschalten. Ich zog mir meine braunen Cowboyboots aus und legte meine Füße auf den Sitz gegenüber von mir, sah aus dem Fenster. Beobachtete alles im Vorbeirauschen. Grüne Felder, Berge, Autobahnen. Dabei dröhnte laute Musik in meinen Ohren, um auch wirklich kein Geräusch zu hören. Keinen Ton von der Außenwelt.
Nur die Stimme in meinem Kopf war ich nicht imstande zu übertönen. Ich versuchte mich auf meinen gleichmäßigen Atem zu konzentrieren, die Augen geschlossen. Ich fühlte den Rhythmus meines Herzens. Es war der Versuch, mich nur auf mich zu konzentrieren. Auf das Ich .
Ohne Erfolg.
Meine Gedanken wanderten zu den Tagen hin, welche ich so sehnlichst aus dem Hirn verbannen wollte. Die Diagnose malignes Melanom ließ meine Welt, als ich es schlussendlich realisierte, von einem Tag auf den anderen zusammenstürzen. Alles, das mir lieb war, wurde mir genommen. Von heute auf morgen. Ich konnte nicht mehr zur Arbeit, sondern war nur an dieses verdammte Bett gefesselt.
Die Ärzte versuchten mich so gut und verständlich sie konnten über diese Situation aufzuklären. Sie bereiteten mich auf weitere Schritte nach der Operation vor.
In den ersten Tagen hatte ich keine Ahnung, was es bedeutete, Krebs zu haben. Anfangs schwankte ich immer zwischen Nicht-fassen-Können und einer gewissen Kühnheit. Mein Körper fühlte sich nicht anders an als sonst auch. Dennoch war ein mulmiges Empfinden mein permanenter Begleiter, denn ich wusste, da war etwas, das nicht dort sein dürfte.
Nach der Operation kam dann der Einschnitt. Es war real . Ich hatte Krebs. Mein Kreislauf wollte nicht mitmachen und ich fühlte mich ständig schlapp. Verschlief so ganze Tage. Ich musste also weiterhin in diesem kahlen Krankenzimmer meine Zeit fristen. Mama bot mir oft an, dass sie die Nächte bei mir schlief, aber das wollte ich nicht. Sie sollte ihr eigenes Leben weiterführen, so wie sie es gewohnt war. Sie schaffte es nicht. Niemand schaffte es. Es litt jeder an dieser Situation, auch wenn es sich niemand zugestehen wollte. Ich bemerkte es jedoch. Jeder benahm sich merkwürdig. Man sah, wie sich alle verzweifelt an die Normalität klammerten. Falsches Lachen, unnötiges Geschwafel und die Frage: Wie geht es dir?
Meine ganze Familie, Chris und auch Julia wollten ununterbrochen mit mir zusammen sein. Ich wollte das nicht. Sie hatten ihr Leben außerhalb dieses Krankenhauses und meines war jetzt hier drinnen.
Sie konnten mich nur nicht alleine lassen. Es war schwer für sie zu sehen und zu wissen oder besser gesagt nicht zu wissen, was mit mir passieren würde, wenn sie nicht da waren.
Als ich körperlich fitter wurde, durfte ich schließlich heim. Nach Hause zu meinen
Weitere Kostenlose Bücher