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Bring mich heim

Bring mich heim

Titel: Bring mich heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Wagner
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Es überwältigte mich. Ich wusste nicht, wie viel ich von dieser Emotion zulassen konnte. Es machte mir Angst. Seit einem Jahr lebte ich in meiner Blase, aus der ich keinen Ausweg fand. Alles drehte sich immer und immer wieder im Kreis. Mein Alltag. Meine Gedanken. Nur ein Moment und ein Mensch sollten diese Blase zum Zerplatzen bringen. Das machte mir Angst. Ich hatte seit Langem kein normales Leben. Ich hatte Angst, was jetzt alles auf mich zukam. Aber ich musste über meinen Schatten springen und versuchen aus dieser Blase herauszufinden.
    Genau darum sang ich mit ihm.
    Ich genoss den Klang seiner Stimme. Sie ließ die Haut auf meinem gesamten Körper kribbeln. Ich mochte auch das Gefühl, welches ich in mir spürte. Wärme, Zufriedenheit. Nur mehr als ein Lied war ich noch nicht imstande zu singen. Ich wollte nicht sofort von diesen Emotionen überrollt werden.
    »Danke, dass du mit mir gesungen hast.« Samuel lächelte mich zufrieden an. Schüchtern blickte ich ihn an. »Ich glaube, wir sollten das öfter machen. Du hast ein kleines Lächeln während des Singens, welches ich gerne wieder einmal sehen möchte.«
    »Ein anderes Mal. Vielleicht ...«, war alles, was ich noch dazu äußerte.
    Samuel spielte eine Zeit lang für mich weiter, bis ich schließlich doch einschlief. Irgendwann konnte ich mich einfach nicht mehr wachhalten. Obwohl ich ihm nur allzu gerne beim Musizieren zugehört hätte. Vor allem, nachdem er begann mitzusingen.
    Kurz vor Villach weckte er mich wieder auf. Ich war froh, dass er es ohne eine Berührung tat. Er kniete vor mir und sagte minutenlang meinen Namen. »Mia. Aufwachen. Mia Lang, es wird Zeit diese wunderschönen Augen zu öffnen. Mia ...«
    Ich war schon längst munter, doch wollte ich einfach nicht meine Augen öffnen. Viel lieber lauschte ich ihm. Blieb dabei regungslos liegen. Irgendwann entkam mir schließlich ein Lächeln.
    »Hey, wie lange hörst du mir bereits zu«, fragte er. Ich konnte seinen heißen Atem in meinem Gesicht spüren. Er war sehr nahe bei mir. Langsam öffnete ich die Augen. Er war wirklich, wirklich eng bei mir. Es trennten uns vielleicht zehn Zentimeter. Ich war aufgeregt darüber. Durch meinen Körper floss eine unbekannte Wärme.
    »Ähm ... etwas länger«, sagte ich leise.
    »Wieso hast du nicht die Augen geöffnet?« Sein Gesicht war noch immer knapp an meinem. Ich zuckte mit den Schultern. Er schüttelte nur den Kopf.
    »Komm, wir müssen bald raus. Ich nehm wieder deinen Rucksack, okay? Dieses Mal bleibt uns nicht so viel Zeit bis zu unserem Anschluss.«
    »Aber ich kann ...« Weiter kam ich nicht, denn er unterbrach mich.
    »Ich nehm ihn. Nur fünf Minuten, bis es weitergeht.«
    »Bin schon still.« Um nichts mehr zu sagen, hielt ich mir die Hand vor den Mund.
    »Na dann mal los. Ab zum Ausgang, damit wir gleich heraus können.«
    Nachdem der nächste Bahnsteig nur um einen weiter war, waren wir schnell dort, wo wir hin wollten.
    Ab nun fuhren wir mit dem Bus. Absolut nicht bequem. Den Rucksack stopfte ich unter die Sitzreihe, meine Füße stützte ich auf dem Sitz vor mir ab. Der Platz neben mir war mit Samuel belegt. Hier war alles voll besetzt, somit hatte es zumindest niemand von uns beiden gemütlich.
    »Macht es dir etwas aus, wenn ich noch ein wenig schlafe?«
    Samuel schüttelte seinen Kopf. »Ich werde selbst ein wenig versuchen zur Ruhe zu kommen.« Er lächelte mich an.
    »Gut, dann sehen wir uns spätestens in Rom«, gähnte ich.
    »Schlaf gut, Kleine.«
    Es war das zweite Mal, dass er mich Kleine nannte. Ich war mir beim ersten Mal nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Zuerst wollte ich ihn fragen, wieso er das sagte. Aber ich sah zu ihm herüber und fand ihn bereits schlafend vor. Seine Arme hatte er vor der Brust verschränkt. Die Beine waren zu lang für die Sitzreihe. Eines stieß am Vordersitz an, das andere hing in den Gang heraus. Im Gesicht war ein dezentes Lächeln. Er atmete ebenmäßig ein und wieder aus. Es war schön ihn zuzusehen. Beruhigend. Aufregend. Ich war seit einem Jahr keinem Mann mehr nahe gewesen. In meinen Fingerspitzen kribbelte es. Ich würde ihn so gerne berühren. Ich setzte mich etwas seitlicher hin. Streckte einen Arm aus, bis meine Fingerkuppen beinahe sein Gesicht berührten. Ich stoppte. Er schlief und konnte mich nicht angreifen, also war es okay. Ich war nervös.
    Sanft streifte ich über seinen kurzen Bart. Zuckte dann wieder weg. Ein Mal probierte ich es noch aus. Zittrig langte ich

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