bringen alle in Schwung
scheinheilig so tut, als wüsste er nicht, was Wolken überhaupt sind. Am Morgen waren die Zwillinge traurig gewesen. Nicht sehr traurig, aber doch ein bisschen. Die Ferien waren zu Ende, diese herrlichen, faulen Wochen daheim mit den Eltern, mit dem dicken, trägen Dackel Stanislas und Amanda, von der Nanni früher behauptet hatte, sie wäre bestimmt eine verzauberte Prinzessin. Von ihrem Vater hatten sie sich verabschiedet, bevor er in die Praxis ging. Jetzt standen sie mit ihrer Mutter auf dem Münchner Bahnhof. Sie waren nicht mehr traurig, sondern kribbelig vor Freude. In zehn Minuten würde der Personenzug kommen, der sie nach Lindenhof brachte.
Auf dem Bahnsteig drängten sich die Leute. Urlaubsende, Ende der Schulferien. Es war heiß. Hanni schleppte ihren Koffer und eine Reisetasche. Die Bücher machten das Gepäck nicht gerade leichter. Sie hörte die Schwester hinter sich keuchen. Beiden Mädchen rannen die Schweißtropfen von der Stirn über die sonnenbraunen Wangen, kitzelten an der Nase. Frau Sullivan folgte den Töchtern, beladen mit all dem Kleinkram, den die Mädchen unbedingt mitnehmen wollten. Darunter war auch ein Korb mit Streuselkuchen und ein paar Gläsern selbst gemachter roter Grütze.
„Da, schau mal!“, schrie Hanni plötzlich. „Das ist doch Bobby, die dort drüben, klar! Hallo, Bobby! Bobby! Boooooobby!“
Sie war es tatsächlich. Hanni und Nanni beschleunigten ihr schlaffes Kofferträgertempo und legten einen richtigen Endspurt hin. Dann ließen sie ihr Gepäck neben Bobby fallen und umarmten sie.
„He, Zwillinge, ich krieg ja kaum noch Luft“, stöhnte Bobby, aber ihr kleines, vergnügtes Gesicht mit den unzähligen Sommersprossen strahlte.
„Prima, dass wir dich als Erste treffen“, meinte Nanni. Sie mochte Bobby sehr. Sie war zu jedem Unsinn aufgelegt, hatte immer neue Einfälle und war ein verlässlicher Kamerad, wenn es drauf ankam.
Nachdem sich die erste Wiedersehensfreude etwas gelegt hatte, entdeckten die Zwillinge Bobbys Eltern, die sich taktvoll mit Frau Sullivan im Hintergrund hielten. Noch während sie sie begrüßten und die üblichen Fragen beantworteten, ob die Ferien schön gewesen wären und so weiter, tauchte Katrin auf, ein anderes Mädchen aus ihrer Klasse. Katrin, die Stille, Schüchterne, die es nicht leicht gehabt hatte, in die Gemeinschaft der anderen aufgenommen zu werden. Und dann war auf einmal auch Jenny da. Sie war so tiefbraun gebrannt, dass man sie kaum erkannte.
„Wo kommst du denn her?“, lachte Hanni.
„Vielleicht aus dem Harem von irgendeinem Wüstenscheich“, vermutete Bobby grinsend.
„Quatsch, dann wäre sie blass und fett, die lassen doch ihre Frauen nicht raus an die Sonne, die füttern sie bloß, damit sie schön rund werden“, kicherte Nanni.
Bevor Jenny erzählen konnte, dass sie in der Schweiz gewesen war und eine Menge Bergtouren gemacht hatte, tauchte schon eine andere auf. Doris, ein liebes, lustiges Mädchen, das alle mochten. Sie war keine Leuchte in der Schule und auch sonst nicht gerade die Intelligenteste. Aber sie hatte ein besonderes Talent: Sie konnte parodieren und hatte eine natürliche Begabung für Tanz und Pantomime. Wenn sie jemanden nachmachte, schrien die Freundinnen vor Lachen, und sogar die Betroffenen brachten es nicht fertig, ihr böse zu sein.
Der Bahnsteig Nummer 12 war kaum mehr wiederzuerkennen. Wurde hier doch tatsächlich so etwas Ähnliches wie eine kleine Wiedersehensparty gefeiert. Alles wirbelte durcheinander, redete, lachte durcheinander. Mädchen aus anderen Klassen kamen dazu: kleine mit Vater, Mutter, Bruder, Schwester und Hund und ältere, die allein reisten. Die Eltern standen in einer Gruppe beisammen und wussten, dass sie abgemeldet waren. Die meisten freuten sich, dass ihre Kinder die Rückkehr ins Internat mit so viel Begeisterung feierten.
Dann lief der Zug ein. Wie immer hatte Frau Theobald, die Schulleiterin von Lindenhof, einige Abteile für die Mädchen reserviert. Hilfreiche Väter hievten Koffer durchs Fenster, eine Erstklässlerin heulte, ein Hund kläffte wie verrückt. In die letzten Eltern-Töchter-Küsse gellte der Abfahrtspfiff.
„Servus, Mami!“, riefen die Zwillinge, beinahe im Chor. „Grüß Paps und gib Amanda eine dicke Portion Sahne und dem Stani ein Kotelett! Sag ihnen, es wäre von uns, damit sie an uns denken bis Weihnachten ...“ Der Zug rollte aus dem Bahnhof, die winkenden Hände der Mädchen wurden Punkte und die Eltern auf dem Bahnsteig Ameisen,
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