Brisante Enthüllungen
du offenbar glaubst, war es damals gar nicht." Sie hörte, dass er tief einatmete, und ihr war klar, dass sie zu weit gegangen war.
Schweigend hüllte er sich in die Wolldecke und ließ sich in den Sessel sinken, während Polly das Gesicht im Kopfkissen barg und sich nicht mehr rührte.
Polly war sich Sandros Gegenwart viel zu sehr bewusst. Sie hörte ihn ruhig atmen und schloss daraus, dass er eingeschlafen war. Ihre Zurückweisung berührte ihn offenbar nicht. Sie seufzte insgeheim und wünschte, sie könnte auch einschlafen. Ich muss ausgeruht aussehen, damit er nicht merkt, was in mir vorgeht, sagte sie sich.
Sie gestand sich ein, dass sie von seiner erotischen Ausstrahlung immer noch viel zu sehr fasziniert war. Das war von Anfang an so gewesen. Damals war sie zu verliebt gewesen, um kritische Fragen zu stellen.
Er hatte ihr erzählt, dass er im Grand Hotel Comadora arbeite. Doch dort hatte sie ihn nie besucht, denn die Pracht und der Luxus hatten sie eingeschüchtert. Wenn sie dort nach ihm gefragt hätte, hätte sie vermutlich erfahren, dass er der Besitzer des Hotels war.
Sie konnte selbst kaum glauben, wie naiv und dumm sie gewesen war. Sandro hatte sicher über sie gelacht. Er konnte wahrscheinlich sein Glück nicht fassen, dass ich noch unschuldig war und er mir alles beibringen konnte, was er von einer perfekten Geliebten erwartete, überlegte sie. Sie war begeistert von ihm gewesen und hatte von ihm nicht genug bekommen können.
Und sie begehrte ihn immer noch. Wie sollte sie mit dem Leben zurechtkommen, das sie in Italien erwartete? Sie würden im selben Haus, aber nebeneinanderher leben. Außer ihrem gemeinsamen Kind gab es keine Berührungspunkte zwischen ihnen. Sie würde lernen müssen, an seiner Seite als Marchesa aufzutreten, neben ihm am Tisch zu sitzen und die Designeroutfits zu tragen, die er für sie kaufte. Niemand durfte ahnen, wie sehr sie litt.
Vor der Einsamkeit, die sie als Sandros Frau erwartete, fürchtete Polly sich. Sie hatte auch Angst davor, ihm unabsichtlich durch Worte oder Gesten zu verraten, dass er immer noch Macht über sie hatte.
Niemals durfte sie vergessen, dass er sie verlassen hatte. Das würde ihr helfen, sich nicht wieder mit ihm einzulassen. Dennoch konnte sie nicht aufhören, davon zu träumen, wie schön das Leben mit Sandro hätte sein können, wenn er sie wirklich geliebt hätte. Mit einem Lächeln auf den Lippen, das so gar nicht zu ihrem tränenüberströmten Gesicht zu passen schien, schlief sie schließlich ein.
5. Kapitel
Als am nächsten Morgen die ersten Sonnenstrahlen durch die dünnen Vorhänge ins Zimmer drangen, wachte Polly auf. Sie hatte das Gefühl, nicht allein im Bett zu sein, und drehte sich langsam um. Sandro lag neben ihr, eingehüllt in die blaue Wolldecke – und mit Charlie im Arm. Beide schliefen tief und fest.
Sekundenlang war sie schmerzlich berührt. Doch dann empfand sie so etwas wie Zärtlichkeit. Sie musste sich daran gewöhnen, Vater und Sohn zusammen zu sehen. Mit einem Anflug von Eifersucht gestand sie sich ein, dass Charlie seinen Vater sogleich akzeptiert hatte, obwohl er sonst Fremden gegenüber sehr zurückhaltend war.
Vorsichtig stand sie auf. Es war noch früh, aber sie brauchte unbedingt einen Kaffee. Außerdem wollte sie fertig sein, wenn Julie kam. Die junge Frau hatte Recht, es stimmte, was sie Sandro erzählt hatte. Polly war auch schon aufgefallen, dass ihre Mutter Charlie so behandelte, als wäre er noch ein Baby. Deshalb war er unselbstständiger als andere Kinder seines Alters. Sie kaufte ihm teure Kleidung und passte dann auf, dass er sich nicht schmutzig machte. Es war kein Wunder, dass er nicht oft draußen spielte.
Er ließ sich auch noch füttern und machte kaum etwas selbst, weil er daran gewöhnt war, bedient zu werden. Polly hatte jedoch nie mit ihrer Mutter darüber geredet, um eine Auseinandersetzung zu vermeiden.
"Guten Morgen", ertönte plötzlich Sandros Stimme hinter ihr.
Polly versteifte sich. "Guten Morgen", erwiderte sie, ohne ihn anzublicken. "Ich wollte mir einen Kaffee machen. Möchtest du auch einen?"
"Ja, gern."
"Soll ich Charlie ins Kinderbett legen?" fragte sie.
"Nein. Warum willst du ihn stören?"
"Weshalb hast du ihn zu dir geholt?"
"Weil er geweint hat", antwortete er. "Er wollte etwas zu trinken haben, und ich habe es ihm gegeben."
"Seine Windeln hätten gewechselt werden müssen."
"Auch das habe ich gemacht. Zugegeben, es war nicht leicht, aber irgendwie habe
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