Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See
zusammenrollte und ihn sich über den Rücken band. Doch ehe er aufbrach, hielt er inne und schaute sich um.
»Grüner Herr des Waldes«, flüsterte er. »Es ist nicht mein Wille, dass ich dein Reich durchschreiten muss. Behüte meine Schritte, bis ich in die Gefilde der Menschen gelange.«
Nach dem zu schließen, woran Merlin sich aus der vergangenen Nacht erinnerte, stand zu hoffen, das Gebet würde erhört werden. Doch unabhängig davon würde er selbst ungesehen über den Jungen wachen, bis er sich in Sicherheit befand. Zutiefst erleichtert glitt er von der Eiche, als Artor zum Fluss hinabmarschierte.
Der Junge ging langsam, wodurch Merlin Zeit blieb, sich den eigenen Bedürfnissen zu widmen, bevor er ihm folgte. Waldbäche konnten sich als trügerisch erweisen, aber letzten Endes flossen sie allesamt hügelabwärts. Artor hatte richtigerweise beschlossen, dass dieser Nebenfluss irgendwann in den Wae mündete, wo er die Straße finden konnte, die ihn zurück nach Süden und somit nach Hause führen würde. Es hieß lediglich, Ruhe zu bewahren und weiterzuwandern.
Wird er mir für das Abenteuer danken, fragte sich der Druide. Oder wird er wütend auf mich sein, weil ich ihn verlassen habe?
Vielleicht ein wenig von beidem, denn im Verlauf der Reise entspannten sich Artors steife Züge, und er hielt immer öfter inne, um den funkelnden Tanz der Libellen über dem Wasser oder den flinken Flug einer Schwalbe über den Bäumen zu beobachten. Einmal überraschte er einen prächtigen Hirsch, der an den Bach gekommen war, um zu trinken, und die beiden starrten einander gleichermaßen verblüfft an, ehe sich die Verblüffung auf Seiten des Jungen in Staunen verwandelte und der Hirsch zu dem Schluss gelangte, dass dieses zweibeinige Wesen keine Bedrohung für ihn darstellte, und davonstolzierte.
Das ist mein Geschenk an dich, dachte Merlin, während er die Szene beobachtete. Was immer du von deinem Vater erben magst, dies ist dein Erbe von mir.
Und so marschierten sie weiter, während die Sonne ihren Höchststand überschritt und gen Westen zu wandern begann. Die Bäume standen noch zu dicht, um das Ende des Waldes erkennen zu können, aber Merlin wusste, dass die Straße bereits nahe war. Er blieb zurück, um die zerknitterten Kleider anzulegen, und hatte vor, eine Abkürzung einzuschlagen, um dem Jungen auf der Straße entgegenzukommen. Und so befand Artor sich außer Sicht, als der Wind sich drehte und Merlin der schneidende Geruch eines Bären in die Nase stieg.
Einen Lidschlag lähmte ihn Bestürzung. In den nördlichen Hügeln war er auf Bären gestoßen und ihnen ausgewichen, da sie wankelmütige Wesen besaßen und sich bestenfalls vor einer Gruppe bewaffneter Männer fürchteten. Er hätte nicht gedacht, dass noch welche durch diese Hügel streiften.
Dann rannte er mit flatternden Rockzipfeln los. Selbstbestrafung hatte Zeit, bis er den Jungen gerettet oder versagt hatte. Trotz der Gewandung bewegte er sich rasch vorwärts, doch bevor der Junge in Sicht geriet, hörte er das warnende Husten des Bären. Leise, damit seine Anwesenheit nicht den befürchteten Angriff auslöste, schlich er die letzten paar Schritte bis zum Bach weiter.
Die Himbeersträucher wuchsen hier dicht an dicht und fast bis zum Wasser hinab. Artor hatte innegehalten, um die Früchte zu pflücken, und dabei anscheinend einen Bären bei demselben Vorhaben überrascht. Das Tier stand halb erhoben inmitten der Sträucher und versuchte offensichtlich zu entscheiden, ob dieses zweibeinige Wesen eine Bedrohung verkörperte.
Es war ein junger Bär, vielleicht ein Jahr von der Mutter getrennt, groß genug, um gefährlich zu sein, aber wohl noch nicht alt genug, um die Menschheit hassen gelernt zu haben. Artor verharrte reglos, die bereits gepflückten Himbeeren noch in der Hand. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, doch die Augen leuchteten strahlend. Er wirkte, dachte Merlin, ge genwärtig, als hätte die Gefahr den Kern seines Wesens gebündelt und enthüllt. In jenem Augenblick sah er in Artor einen Geist, der gleich einer Flamme loderte, und er wusste, dass Menschen ihm folgen würden.
Sofern er überlebte.
Der Bär rümpfte die feuchte, schwarze Nase, als er den unvertrauten Geruch schnupperte, der sich mit jenem der Früchte vermischte. Zweige knackten, als er sich auf Artor zubewegte. Der Druide holte Luft, um zu schreien, der Knabe aber streckte die offene Hand aus, als hielte er einem Pony Hafer hin. Der Bär neigte den
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