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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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entfachen.
    »In Gaius Turpilius’ Haushalt gibt es doch sächsische Sklaven«, gab Merlin zurück. »Sind sie Dämonen?«
    »Nein… aber sie wurden auch getauft.«
    »Die Priester halten große Stücke auf ihr heiliges Wasser, aber mir ist noch nie aufgefallen, dass es einen Menschen davon abhält, Böses zu tun, wenn er darin einen großen Vorteil sieht, ebenso wenig wie es gute Taten ungetaufter Menschen verhindert, wenn ihnen danach der Sinn steht. Zweifellos sind diese Sachsen liebevolle Ehemänner und Väter, wenn sie zu Hause sind.«
    »Aber dies ist nicht ihr Zuhause!«, rief Artor aus.
    »Die Wilden Männer könnten dasselbe über dich sagen…«
    Merlin schloss den Mund und fragte sich, weshalb ihm dies herausgerutscht war. Sogar seiner Mutter war es vor ihrem Tod gelungen, sich einzureden, ihr Kind wäre der Spross eines engelhaften Besuchers. Er rieb sich über die Arme mit der vielsagenden dichten Behaarung. Merlin hatte nie mit jemandem über seine Zeit im Wald gesprochen oder darüber, was er dort erfahren hatte.
    »Wilde Männer sind doch eine Legende… oder?« Artor bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick, und Merlin fragte sich, was der Knabe im flackernden Licht ihres kleinen Feuers wohl sehen mochte.
    »Die ganze Welt besteht aus Legenden. Das Wasser ist heilig, ebenso die Steine, das Feuer. Der Wind flüstert Geschichten von längst vergangenen Zeiten. Vielleicht werden auch du und ich eines Tages Legenden sein.«
    Artor lachte, und inmitten dieses Lachens verspürte Merlin einen Stich im Herzen. Seit er zum ersten Mal das Schwert der Könige berührte, hatte er die Geburt dieses Knaben geplant und eingefädelt. Einzig indem er den Verteidiger großzog, vermochte er seine Schuld an dem Massaker bei Sorbiodunum zu tilgen. Erst jetzt, als er in diese klaren Augen blickte, drängte sich ihm die Frage auf, ob er überhaupt das Recht besaß, Artor in diese Rolle zu drängen.
    Merlins Mutter hatte ihn in die Rolle des Propheten Britanniens gedrängt. Hatte es Gewicht, dass seine Kindheit nur noch unglücklicher gewesen wäre, wenn er in Maridunum aufgewachsen wäre? Ihre Worte und die Bedürfnisse des Vor-Tigernus hatten seine Füße auf jenen Pfad gelenkt, und nun hatte er keine andere Wahl, als ihm zu folgen.
    Artor hingegen hatte noch eine Wahl. Igraine wollte ihn als Thronfolger aufziehen, doch die Gefahren, die seine Hüter bewogen hatten, ihn ohne Wissen um sein Erbe aufwachsen zu lassen –, hatten ihn zugleich vor den Zwängen einer Kindheit als Prinz bewahrt. Anders als Merlin war es Artor gestattet gewesen, ein Kind zu sein, bevor er ein Mann werden musste.
    Ich werde ihn alles lehren, was ich kann, dachte der Druide, aber letzten Endes muss der Geist in ihm über sein Schicksal bestimmen. Er muss wählen dürfen.
    Doch der Geist musste auf die Probe gestellt werden. Ein junger Rabe verbringt zahlreiche Tage damit, sich an den Rand des Nestes zu klammern und die Flügel in die Luft zu strecken, mit ihnen zu schlagen. Nur dadurch werden seine Schwingen kräftig genug, um ihn zu tragen, wenn sein Geist ihn schließlich zwingt zu fliegen.
    »Du bist ein guter Kletterer«, sprach er laut. »Vielleicht finden wir morgen einen Mistelzweig. In der Überlieferung der Druiden wird er Allheiler genannt; die zerriebenen Beeren besitzen große Macht gegen Fieber und Herzkrankheiten. Aber er muss mit Bedacht angewandt werden, denn wie so viele Kräuter kann die Mistel in falschen Mengen ein Gift sein.«
    Während das Feuer niederbrannte, sprach er weiter über die Kräuter des Waldes und ihre Eigenschaften, welche Pflanzen als Nahrung dienen konnten und wo sie zu finden waren. Artors Lider wurden immer schwerer, denn es war ein anstrengender Tag gewesen, und alsbald sank er auf sein Blätterbett.
    Merlin trat die Reste des Feuers aus, doch er schlief nicht. Die Sterne funkelten vom samtenen Himmel, der Mond ging auf, und immer noch wachte er über das Kind.
    Es war beinahe Mitternacht, als seine Sinne ihm verrieten, dass Artor die Grenzen des Schlafes durchdrungen hatte und in tiefstem Schlummer lag. Merlin erhob sich. Zunächst legte er seine Kleider ab und rollte sie zu einem Bündel, das er tragen konnte, denn sie würden ihn nur behindern. Außerdem waren Kleider ob der Hitze seines Leibes ohnehin lediglich eine Nebensächlichkeit. Dann begann er Zaubersprüche zu murmeln, die den Knaben weiterträumen ließen, während er ihn hochhob. Artor erwies sich als geringe Last, denn er war klein für

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