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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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seine Begleiter ritten durch eine prächtige Herbstlandschaft. Das satte Bernsteinfarben der Blätter wetteiferte mit dem leuchtenden Purpur der Ebereschen und Stechpalmen, und die vielfältigsten Rot-Töne der Weinranken rundeten das Bild.
    Zunächst führte sie ihr Weg nach Süden an die Küste, wo die römische Festung Lemanis immer noch die sächsischen Ufer beherrschte. Sie reisten in kurzen Abschnitten, denn mehr ließ das Alter des Königs nicht zu. Jeden Morgen, wenn er fluchend die steifen Glieder streckte, meinte er, dass er Oesc die Reise im nächsten Jahr auf jeden Fall allein machen lassen würde. Bis zum Abend hin jedoch lächelte er stets wieder, und der kalte Knoten der Anspannung in Oescs Bauch löste sich.
    Von Lemanis zogen sie entlang der Küste den Weg zurück gen Norden und Osten nach Dubrae, wo die hohen Kalkstein-Klippen über die See blickten. Ihr nächster Halt erfolgte in Rutupiae, wo Vortimer, der Sohn des Vor-Tigernus, Hengest einst aufs Meer hinausgetrieben hatte. Mittlerweile war die Festung verfallen; einzig der große Triumphbogen kündete noch vom vergangenen Ruhme Roms. Hier waren die fruchtbaren Länder nahe der Küste dicht besiedelt. Bei den Fällen, die dem Gericht vorgetragen wurden, handelte es sich überwiegend um Grenzstreitigkeiten oder Beschwerden wegen verirrten Viehs.
    Abermals kamen sie durch Durovernum, dann reisten sie weiter gen Osten auf dem geraden Band der Römerstraße, die nach Londinium führte. Zu ihrer Linken stieg das Land in sanften Hängen zu den nördlichen Hügelländern hin an. Zahlreiche verfallene Villen und neue, sächsische Gehöfte prägten die Landschaft. Zu ihrer Rechten erstreckten sich die grünen Felder hinab zur Mündung des Tamesis, die im Sonnenlicht funkelte. Entlang der Straße standen die Häuser und Ruinen am dichtesten, und als sie sich Durobrivae näherten, jener römischen Stadt, welche die Furt über den Fluss Meduwege und die westliche Hälfte von Cantuware hütete, war das Land noch stärker besiedelt.
     
    »Die Briten haben einen Hochkönig!« Schwitzend und mit hochrotem Gesicht, brüllte Hrofe Guthereson die Worte, noch ehe er seinen König begrüßte. Er war ihnen mit seiner berittenen Wache entgegengeeilt, um sie in die Stadt zu geleiten, aber seine Neuigkeiten ließen die gesamte Reisegesellschaft mitten auf der Straße innehalten.
    »Wen?«, herrschte Hengest ihn an. »Hat Leudonus die Fürsten im Süden letztlich dazu gebracht, ihn anzuerkennen?«
    »Nein.« Mit funkelnden Augen schüttelte Hrofe den Kopf. »Es ist ein fünfzehn Jahre alter Knabe! Uther hatte einen Sohn!«
    Fünfzehn!, dachte Oesc. Er ist so alt wie ich… Es erschien ihm seltsam, zu erfahren, dass die Schlacht, in der er den Vater verlor, einem anderen Jungen ein ebensolches Schicksal beschert hatte.
    »Einen rechtmäßigen Sohn?«, wollte Byrhtwold wissen.
    Hrofe zuckte die Schultern. »Das ist noch unklar, aber Königin Igraine behauptet, er sei ihr vom König empfangenes Kind.«
    »Ich besinne mich, Gerede über einen Säugling gehört zu haben«, brummte Hengest stirnrunzelnd. »Aber ich dachte, er wäre gestorben…« Langsam setzten sie sich wieder in Bewegung.
    »Es heißt, er wäre aus Sicherheitsgründen in den Westen geschickt worden, und zwar so heimlich, dass selbst die Familie, die ihn aufzog, nicht wusste, wer er war.«
    Hengest lächelte bitter. »Nun, vermutlich hatten sie ihre Gründe. Wenn man eine Bärenfamilie loswerden will, greift man am besten ihre Höhle an.«
    »Tja, der Knabe ist fürwahr ein Bärenjunges«, meinte Hrofe. »Arktos ist sein Name oder Artor.«
    Artor… In Oescs Ohren hallte der Name wider wie das Klirren von Stahl.
    »Und man hat ihn auf das Wort der Königin hin anerkannt?«, fragte Hengest zweifelnd. »Ich kenne die britischen Fürsten; die würden kaum übereinkommen, dass die Sonne im Westen untergeht, ehe sie nicht neun Tage darüber gestritten haben.«
    Mittlerweile näherten sie sich den Mauern der Stadt.
    »Es war nicht das Wort der Königin, das sie überzeugt hat«, bestätigte Hrofe Hengests Zweifel und gab sich dabei wie jemand, der das Beste für den Schluss aufgehoben hat. »Der Grund war, dass der Junge das Schwert zu beherrschen vermochte!«
    Das Schwert, das Octha getötet hat… Oescs betroffener Blick traf jenen seines Großvaters, und er sah, wie Hengests Züge sich verfinsterten.
    »Ich hatte gehofft, Uther hätte diese verfluchte Waffe mit ins Grab genommen.«
    »O nein…« Schmerzend

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