Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
fröhlich plapperte Hrofe unaufhörlich weiter.
    Oesc konnte es nicht länger ertragen; er grub die Fersen in die Flanken der Stute und drängte sich am König vorbei durch den schattigen Bogen des Osttores hinein nach Durobrivae.
     
    Im Schatten eines Baldachins hielt Hengest auf dem Marktplatz fünf lange Tage Gericht. Oesc saß unruhig neben ihm, lauschte halbherzig den Streitfällen und träumte stattdessen von den Jagden, die er versäumte, während das schöne Wetter andauerte. Auch sein anderer Großvater hatte stets viel Zeit damit zugebracht, Menschen zuzuhören, die sich über andere beschwerten. Warum, fragte er sich verärgert, sollte jemand König sein wollen? Doch wahrscheinlich mussten sogar die Gutsherren Streitigkeiten unter ihren Leuten schlichten. Die Menschen, über die der König richtete, waren lediglich mächtiger, das war alles.
    »Und wie würdest du in diesem Fall entscheiden, Oesc?«, fragte Hengest ihn plötzlich.
    Blinzelnd versuchte der Junge, sich zu erinnern, was der Mann vor ihnen gerade gesagt hatte. Er war ein großer, hellhaariger Bursche, in dessen Stirn und um dessen Mund sich die Furchen beständig schlechter Laune gegraben hatten.
    »Er behauptet«, wiederholte der König, »sein Nachbar habe absichtlich seinen Feuerholzwald niedergebrannt und um ein Haar auch sein Haus vernichtet.«
    »So ist es nicht!«, rief der Beschuldigte mit finsterer Miene aus. »Ich wollte nur die Stoppeln von meinen Feldern brennen!«
    »Aber du hast meinen Wald niedergefackelt!«
    »Ist es denn meine Schuld, wenn Thunor den Wind dreht? Gib doch den Göttern die Schuld, nicht mir!«
    Oesc schaute skeptisch von einem zum anderen, während er versuchte, sich des Gesetzes zu besinnen. »War es ein großer Wald? «, erkundigte er sich schließlich. Hengest begann zu lächeln, und der Junge fuhr selbstsicherer fort. »Standen darin viele große Bäume?«
    »Ein ausgesprochen feiner Wald«, erklärte der Kläger, »mit wunderschönen Eichen!«
    »Stimmt nicht! Stimmt nicht! Es gab einen großen Baum und ringsum nichts als Haselsträucher!« Der Beschuldigte deutete auf einen älteren Mann in der ersten Reihe der Menge. »Sag’s ihnen! Du kennst den Ort. Sag ihnen, was dort war!«
    Oesc erhob sich, mittlerweile hatte er sich an die entsprechende Tradition erinnert. Er warf einen flüchtigen Blick auf seinen Großvater, der ihm ermutigend zunickte, dann hob er die Hand und wartete, bis Ruhe einkehrte.
    »Es ist das Gesetz unseres Volkes, dass für Taten, nicht für Gedanken Wiedergutmachung zu leisten ist. Es spielt keine Rolle, weshalb du das Feuer entfacht hast«, erklärte er dem angeklagten Mann. »Wenn du so leichtsinnig warst, deine Stoppeln an einem windigen Tag zu verbrennen und dadurch dem Eigentum eines anderen Schaden zugefügt hast, dann musst du dafür bezahlen. Die Strafe für Schaden an einem Wald beträgt dreißig Shilling, zudem fünf Shilling für jeden großen Baum und fünf Pence für jeden kleineren.«
    »Wenn es um die Bäume des Waldes geht, steht mein Wort gegen das seine…«, brummte der Mann mürrisch.
    »Dein Wort und das deiner Zeugen«, pflichtete der Junge ihm bei. »Jeder von euch soll die auswählen, die bereit sind, eure Behauptungen unter Eid zu bestätigen, danach wird die Strafe gemäß der Entscheidung eurer Gefährten festgelegt.«
    »Das ist ungerecht!«, rief der Kläger, die Menschen in der Menge aber nickten und murmelten. Das Streben des hellhaarigen Mannes nach Genugtuung hatte ihm eindeutig nicht das Wohlwollen seiner Nachbarn eingebracht, denn nur zwei Männer kamen ihm zu Hilfe, wohingegen der Beklagte unter etwa einem Dutzend wählen konnte.
    »Habe ich es richtig gemacht?«, wollte Oesc wissen, nachdem die Eide geleistet und die Strafe bezahlt waren.
    »Du hast es sehr gut gemacht«, antwortete der König. »Dieser Mann ist ein Unruhestifter, den ich schon früher vor Gericht hatte. Ein vernünftigerer Mensch hätte die Angelegenheit wohl mit seinem Nachbarn unter sich geregelt, ohne uns damit zu behelligen. Aber er bekommt nun seine Vergütung und fühlt sich hoffentlich nicht genötigt, weitere Gerechtigkeit zu erlangen, indem er das Haus des anderen Mannes anzündet.«
    »Ich weiß, es ist Gesetz, dass der verantwortlich gemacht wird, der ein Feuer entfacht. Trotzdem erscheint es ungerecht, wenn er dabei nichts Böses im Sinn hatte«, meinte Oesc nachdenklich.
    »Glaubst du, unsere Gesetze wurden um der Gerechtigkeit willen geschaffen? Nein, mein Sohn,

Weitere Kostenlose Bücher