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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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sich mit altem Schmerz füllte. »Und er war es, der dieses Lied schrieb.«
    »Aber Ihr seid nicht alt genug, um…« Oesc verstummte und errötete, als die Männer zu lachen begannen.
    »Ich war ein Knabe, jünger als du«, entgegnete Andulf lächelnd, »und ich diente in seiner Halle.«
    »Und nun werden die Niflunga zur einer Legende«, fügte Hengest kopfschüttelnd hinzu. »Dabei habe ich Sigfrid mit eigenen Augen gesehen, als er noch ein Kind und ich kaum älter war. Wer, frage ich mich, werden die Helden dieser Zeit werden?«
    »Schon jetzt besingen die Barden die Taten Eurer Jugend, Herr«, warf Byrhtwold ein.
    »Meinst du die Schlacht in der Finnsburg?«, brummte Hengest. »Um einen Eid zu halten, war ich gezwungen, einen anderen zu brechen, aber darauf blicke ich keineswegs mit Stolz zurück.«
    »Man wird sich an Euch als jenen Anführer erinnern, der unser Volk in dieses prächtige Land gebracht hat!«, rief einer der Männer.
    »Sofern wir es halten können…«, meinte ein anderer.
    »Spielt das eine Rolle?«, fragte Byrhtwold. »Heute grasen hunnische Pferde in dem Land, in dem Ermanarich starb, und die Erben Gundohars haben in Raetia Zuflucht gefunden. Sigfrid hat nur seinen Namen hinterlassen. Und dennoch haben diese Helden im Tode triumphiert, und man erinnert sich an sie.«
    »Wenn es uns gelingt, die gesamte Insel zu erobern, meinst du, es werden dann Uther und Ambrosius sein, um die sich Legenden ranken?« Guthlaf, einer der jüngeren Krieger, lachte zweifelnd.
    »Das wäre schon möglich«, meinte Andulf nachdenklich, »denn die Sieger werden nicht in die Legenden, sondern in die Geschichte eingehen.« Er setzte an, seine Harfe in ihrem mit Robbenfell ausgekleidetem Kasten zu verstauen.
    Die Unterhaltung drehte sich bald um andere Dinge und wurde zunehmend lauter, je öfter die Trinkhörner kreisten. Oesc lehnte sich gegen den harten Rückenteil des Throns; die Erschöpfung zerrte wie ein Anker an seinen Gliedern.
    »Schickt den Jungen zu Bett, Hengest, ehe er uns hier einschläft«, schlug Byrhtwold vor.
    »Ich bin nicht müde!« Oesc setzte sich ruckartig auf und rieb sich die Augen. »Großvater, Octha war doch ein Held, nicht wahr?«
    Der greise Mann nickte; der Schmerz, den er mit Oesc teilte, spiegelte sich in seinen Augen, und der Junge wusste, dass auch sein Großvater an den einsamen Grabhügel innerhalb der Mauern dachte.
    »Müssen wir denn wählen?«, fragte er. »Müssen wir uns denn zwischen einem ruhmreichen Tod und einem Leben für unser Volk entscheiden?« Er wartete und erkannte, dass sein Großvater ihn durchaus ernst nahm.
    »Viele Männer fallen und werden vergessen…«, begann Hengest zögernd. »Helden ehren wir deshalb, weil sie aus einem Grund gestorben sind, weil sie nie aufgeben, sondern bis zum bitteren Ende kämpfen. Der Tod bedeutet kein Versagen, Oesc, wenn ein Mann wahrhaft gelebt hat.«
    »Dann hat er nicht versagt«, flüsterte der Junge. »Wir haben die Schlacht verloren, und sie haben ihn getötet, aber Octha hat dennoch den Sieg davongetragen…«
    »Junge, ist es das, was dich so bekümmert?« Hengest legte die knorrige Hand auf Oescs Schulter. »Dein Vater erwartet uns an Wodens Tafel. Du musst danach trachten, ein Leben zu führen, das dich würdig macht, ihn wiederzusehen.«
    Der Schmerz in Oescs Kehle machte ihm das Atmen schwer. Mit einem rauen Keuchen schnappte er nach Luft; sein Großvater tätschelte ihm unbeholfen den Rücken, und dann, als er dem Jungen ins Gesicht sah, drückte er ihn an die knochige Brust. Dort, umgeben von den Gerüchen von Leder, Pferd und dem Fleisch des greisen Mannes, konnten Oescs aufgestaute Tränen endlich fließen.

III
    Heilige Erde
    A.D. 475
     
    Jeden Herbst, wenn die Zeit der Feldzüge endete und die Ernte eingebracht wurde, pflegte Hengest durch das Gebiet zu reisen, das der Vor-Tigernus ihm überlassen hatte. Zu jener Jahreszeit, in der die Streitigkeiten des Sommers noch frisch im Gedächtnis hafteten, hörte der König sich Klagen an und verkündete Urteile, um zu vermeiden, dass in den dunklen Tagen des Winters Unzufriedenheit schwelte und sich in blutigen Sippenfehden entlud, die den Frieden des Landes störten. Im zweiten Jahr nach Verulamium nahm Hengest seinen Enkel Oesc mit auf die Reise, auf dass er das Land und dessen Gesetze kennen lernte.
    In jenem Herbst setzten die ersten Winterstürme früh ein und durchtränkten die Stoppelfelder. Darauf aber folgte eine frohe Zeit des Friedens, und der König und

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