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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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schaffen, hatte Ceredic jedem Trupp befohlen, sich in Keilformation aufzustellen, damit mehr Speere zum Einsatz gelangen konnten. Es war eine Sägezahnreihe, mit der sie die Briten in Stücke reißen würden, versprach er ihnen, als er das Flussufer auf und ab ritt.
    Nun stand der Befehlshaber bei seinen Kriegern in der Mitte des Geschehens, während sein weißes Ross von einem Leibeigenen hinter die Front gebracht wurde. Wenn Oesc den Kopf drehte, konnte er den vergoldeten Keiler sehen, der Ceredics Helm zierte. Auf der anderen Seite wartete Aelle mitsamt seinen Söhnen. Oescs Helm war rund, mit Nasen- und Ohrenflügeln sowie Kettenlaschen im Nacken und an den Seiten. Er schwitzte unter Hemd und Kettenhemd, aber die meisten seiner Männer würden einzig mit einer eisengefassten Lederkappe als Schutz kämpfen und ihren Leib nur mit dem Schild verteidigen.
    Jenseits der Riedfelder erstreckte sich graues Wasser bis zu einem Streifen dunkleren Graus; dort lag die Insel. Über der Armee schwebten Möwen durch die Luft und kreischten wie Wallküren auf der Suche nach Gefallenen. Schon bald würden sie reiche Auswahl haben. Die Briten, die in dichter Formation herantrabten, näherten sich rasch. Ihre Schilde waren auf römische Art bemalt, und jede Truppe besaß ihre eigene Ausrüstung. Oesc konnte das Funkeln der Lanzenspitzen sehen, als sie sich näherten. Der Schweiß ließ seine Hand über den Schaft des eigenen Speeres rutschen. Er lehnte sich gegen den Schild, wischte die Handfläche am Saum seines Hemds ab und ergriff die Wurfwaffe wieder. Haedwig besaß einen Speer, dachte er unvermittelt, der ebenso mächtig war wie Artors legendäres Schwert. Warum, fragte er sich, hatte Hengest ihr nicht befohlen, diese Waffe in der Schlacht einzusetzen? Er würde ihn fragen, wenn er nach Hause kam.
    Falls er nach Hause kam…
    Mittlerweile galoppierte die britische Reiterei und näherte sich mit erschreckender Geschwindigkeit. Gewiss würde der Fluss sie bremsen, dachte er, und dann verwandelten die Hufe der Pferde das Wasser auch schon in glitzernde Tropfenschauer. Gleich einer sich auftürmenden Welle stürmten sie das Ufer herauf, die Lanzenspitzen senkten sich in tödlichem Einklang.
    Oesc stemmte die Füße in den Schlamm, hob den linken Arm und spürte, wie sein Schild von jenem Byrhtwolds auf der einen und von jenem Eadrics auf der anderen Seite gestützt wurde; dann brachte er mit dem rechten Arm den Speer in Anschlag. Pferde mit wirren Augen kamen immer näher heran, bis sie sein Sichtfeld vollends füllten; die verzerrten Fratzen ihrer Reiter prangten über den feindlichen Schilden. Er spürte, wie sich seiner Kehle ein gellender Schrei entrang, der im Getöse des sächsischen Schlachtrufes unterging.
    Ein heftiger Ruck erschütterte den Schildwall. Unwillkürlich schwang Oesc den Arm vor, die Hand schleuderte den Speer. Hie und da zeigte sich ein Riss in der heranbrandenden Flut der Reiter, doch jener erste Speerhagel war zu wenig, um sie aufzuhalten. Oesc duckte sich hinter den Schild und mühte sich, ihn zwischen den anderen zu halten, als ein angreifender Reiter in die Linie der Sachsen stürmte.
    Der Schildwall wogte zurück, und Oesc wurde kurz von den Beinen gehoben, fiel jedoch nicht. Das feindliche Pferd, durchbohrt von spitzen Schildbuckeln, bäumte sich schreiend auf. Eine Lanze stieß auf ihn herab und strich oberhalb seiner Schulter vorbei. Oesc gelang es, sein Schwert freizubekommen, und als er den gepanzerten Leib erspähte, stach er damit nach oben. Einen Augenblick hatte er das Gefühl, das gesamte Gewicht eines Mannes und eines Pferdes zu stützen, dann fiel der Feind zurück, und er konnte wieder Luft holen.
    An mehreren Stellen hatten die britischen Reiter den Schildzaun durchbrochen und hieben mit Lanze und Schwert zwischen den Sachsen um sich. Andere waren zu beiden Seiten ausgeschwärmt, im Versuch, die Formation zu umgehen. Inmitten des Tumults erblickte Oesc ein Drachenbanner, das wohl Artor gehören musste. Es wurde von einem großen Mann mit dunklem Haar getragen. Dann ragte plötzlich ein Pferd vor ihm auf; ein Schwert traf klirrend auf seinen Schildbuckel, und er wich zurück. Danach war er lange Zeit zu beschäftigt, um an irgendetwas zu denken.
     
    Auf einer Woge des Wehklagens kehrte nach und nach das Bewusstsein zurück. Warum weinen sie? Bin ich tot?, fragte sich Oesc. Aber die Toten spürten keinen Schmerz, und als er gänzlich das Bewusstsein erlangte, stellte er fest, dass er

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