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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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rasende Kopfschmerzen hatte und sich überall wund anfühlte. Eine Weile lag er still und versuchte, sich zu erinnern.
    Ein Bild aus seinem Gedächtnis zeigte ihm Byrhtwold, der mit einem aus der Brust ragenden Speer ausgestreckt vor ihm lag. Danach hatte ihn ein wahrer Schlachtwahn befallen. Deshalb fühlte er sich nun wohl so entsetzlich. Gewiss trauern sie um Byrhtwold, dachte er und spürte heiße Tränen auf den eigenen Wangen. Er ist gestorben, weil er mich gerettet hat.
    Oesc schlug die Augen auf. Seine verschwommene Sicht offenbarte ihm einen nächtlichen Himmel und die Schemen von Männern, die zwischen ihm und den Feuern umherliefen. Dann versuchte er, sich aufzusetzen und stellte fest, dass seine Hände und Füße gefesselt waren.
    Heißer Schreck schoss durch seinen Körper und schärfte seine Sinne. Die Stimmen, die er hörte, erklangen in britischer Sprache, und auch die Gesichter und die Gewandung der Männer rings um ihn waren britisch. Er war vom Feind gefangen genommen worden.
    Oesc beherrschte ihre Sprache ausreichend, um die Worte zu verstehen –
     
    Der Herr Gerontius, der Feinde Not,
    Der ließ die Pferde steigen, weiß und rot.
    Nach Krieg und Kampfgeschrei ist bitter der Tod…
     
    Wenigstens, dachte er voll grimmiger Genugtuung, hatten die Sachsen einen Helden unter ihren Feinden zur Strecke gebracht. Die Briten jubelten nicht, und doch war er ein Gefangener, dessen Kettenhemd ihn als wertvolle Beute auswies, für die man Lösegeld fordern konnte. Wer hatte die Schlacht gewonnen?
    Er holte tief Luft und versuchte, sich den Fesseln zu entwinden, doch die Anstrengung jagte ihm einen grellen Schmerz durch den Kopf, der ihm neuerlich das Bewusstsein nahm.
    Als Oesc wieder die Augen öffnete, war es früher Morgen. Seine anderen Wunden hatten sich auf qualvolle Weise verkrustet, die Kopfschmerzen aber waren zu einem dumpfen Pochen verblasst.
    »Ja, das ist er«, hörte er eine sächsische Stimme in der Nähe. »Octhas Balg. Ich habe ihn in Venta gesehen.«
    Oesc biss sich auf die Lippe, um nicht aufzustöhnen und rollte sich zur Seite. Die Augen gegen das Sonnenlicht zusammengekniffen, schaute er zu seinen Häschern empor. Der Sachse war nur ein bedeutungsloser Bauer. Blinzelnd versuchte er, die Züge der beiden anderen Männer auszumachen.
    »Lasst mich ihn töten!«, forderte einer der beiden, ein Mann von etwa dreißig Jahren mit lockigem, dunklem Haar. »Das Blut meines Bruders schreit nach Vergeltung.«
    »Glaubt Ihr, ich trauere nicht um ihn?«, entgegnete sein Gefährte. Oesc konnte ihn nicht richtig erkennen, aber er klang jung, die Stimme heiser vor unterdrückten Tränen. »Er hat mich kämpfen gelehrt! Gestern hat er mir ein Dutzend Mal das Leben gerettet; er war mein Freund…«
    »Wir alle trauern um Gerontius, aber der da ist als Geisel wertvoller für uns«, meldete sich ein älterer Mann zu Wort.
    »Wieso? Er ist kein Blutsverwandter von Ceredic.«
    »Stimmt, aber er ist Hengests Enkel, und solange wir ihn haben, wird Cantium dafür bürgen, dass Ceredic sich wohlverhält.«
    Lange Zeit war es still. Obwohl seine Kopfschmerzen erneut fast unerträglich geworden waren, mühte Oesc sich auf die Beine, da er keinesfalls wie ein gefesselter Leibeigener zu Füßen seiner Feinde liegen bleiben wollte.
    »Schneidet seine Fesseln durch«, befahl die junge Stimme.
    Der ältere Mann sägte mit dem Messer an dem Strick, zerrte Oesc auf die Beine und stützte ihn, bis die Benommenheit wich und er allein zu stehen vermochte.
    Artor… dachte Oesc, als er die prunkvolle Stickerei auf dem blutbefleckten Hemd und die goldene Kette unter dem dünnen Flaum braunen Bartes erblickte. Er selbst war ein wenig größer, als sein Gegenüber, aber von Gestalt waren sie sich recht ähnlich.
    »Verstehst du mich?«, fragte Artor und wartete, bis sein Gefangener nickte. »Wir haben die Schlacht nicht gewonnen, ebenso wenig aber habt ihr sie gewonnen. Du kommst mit uns, entweder in Eisenketten an einen Karren gebunden oder als freier Reiter, durch einen Eid vor deinen Göttern an das Versprechen gebunden, nicht zu fliehen. Die Entscheidung liegt bei dir.«
    Dein Vater hat meinen getötet, dachte Oesc. Am Gürtel des Königs steckte ein Dolch. Wenn er ihn zu fassen bekommen und zustoßen könnte, wäre Octha gerächt. Doch im Augenblick bedurfte er schon all seiner Kraft, um nur zu stehen. Abermals schaute er Artor in die Augen, und diesmal konnte er den Blick nicht abwenden.
    Er sah Kummer in jenen Augen,

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