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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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neben dem Thron hockte.
    Da er wenig anderes zu tun hatte, war in Oesc ein gewisses Interesse daran erwacht, zu beobachten, wie der junge König in seine Macht hineinwuchs. Mittlerweile war Artor beinahe zwanzig, und der kurz gestutzte Bart eines Mannes zierte sein ausdrucksstarkes Kinn. Er hatte für den Anlass eine Dalmatika aus scharlachroter Seide angelegt, mit zwei Stickmusterstreifen entlang der Schultern und an beiden Seiten bis zum Saum hinab. Um seinen Hals glitzerte die goldene Kette eines keltischen Fürsten, auf dem Stirnband aber prangte byzantinisches Email.
    Oesc, der sich daran gewöhnt hatte, seinen Häscher in dessen Lieblingshemd aus verblichener, grüner Wolle am Feuer ausgestreckt zu sehen, unterdrückte ein Lächeln. Doch der dunkelhaarige Junge, der dem gallischen Gesandten folgte, betrachtete voller Ehrfurcht die Marmorfassaden an den Wänden, die vergoldeten Reliefsparren der hohen Decke und am ehrfürchtigsten die prangende Gestalt auf dem Thron. Für ihn war Artor tatsächlich der Kaiser.
    Eldol trat vor und las aus einer Schriftrolle. »Johannes Rutilius, Comes Lugdunensis, überbringt Grüße von Johannes Riothamus, Dux der Briten nördlich des Flusses Liger, an Artor, Vor-Tigernus von Großbritannien.«
    »Lass ihn näher treten –«
    Der dunkelhaarige Mann mit dem Knaben verneigte sich.
    »Mein König, ich überbringe die besten Wünsche meines Herrn Riothamus für Euer Wohl und das Eures Reiches.« Seinem Britisch haftete ein eigenartiger Akzent an, aber mittlerweile konnte Oesc diese Sprache recht gut verstehen.
    Jemand in der Menge hinter Oesc schnaubte verächtlich. »Wird auch langsam Zeit – haben die abgewartet, ob der Junge die Krone behalten würde?«
    »Mein Herr bietet Euch einen Handelsvertrag und ein Bündnis an. Die Franken bereiten uns an unseren Grenzen in Gallien denselben Kummer wie Euch hier die Sachsen. In der Heiligen Stadt haben es sich Barbaren gemütlich gemacht, und der Kaiser weilt weit entfernt in Konstantinopel. Ihr und Riothamus, Herr, seid die Erben des westlichen Kaiserreichs, und ein Miteinander wäre beiden Seiten von Nutzen.«
    »Wie Ihr richtig sagt«, unterbrach ihn Eldol, »kämpfen wir immer noch gegen die Sachsen. Welche Hilfe kann Riothamus uns bieten?«
    »Ach was«, knurrte einer der älteren Männer. »Wir brauchen keine Hilfe von Männern, die aus Britannien geflohen sind, als die Sachsen sich zum ersten Mal in Blut und Feuer gegen uns erhoben haben.«
    Artor bedachte sie beide mit kritischem Blick. »Ich glaube, Gallien braucht all seine Männer für die eigene Verteidigung; zudem können unsere Krieger uns durchaus beschützen«, warf er rasch ein.
    »Aber die Kais von Londinium sind oft verwaist«, fügte Cadrod hinzu. »Der Handel gedeiht schlecht, seit die sächsischen Wölfe in der Meerenge wüten. Einst hat Britannien geholfen, das Kaiserreich zu ernähren. Schickt uns Handelsschiffe und Kriegsgaleeren, um sie zu bewachen, dann senden wir Euch Korn aus der fruchtbaren Landesmitte, die wir nach wie vor halten.«
    Die rote Farbe, die Johannes ins Gesicht geschossen war, wich zurück. »Um eben dies vorzuschlagen, bin ich gekommen, wenngleich ich eine Klausel hinzufügen möchte, dass jeder der beiden Herrscher den anderen um Hilfe anrufen kann, sollten die Zeiten sich ändern.«
    »Das erscheint mir ein brauchbarer Vorschlag«, verkündete Artor, während seine Berater noch Luft zum Antworten holten.
    »Als Zeichen unserer Aufrichtigkeit habe ich Euch meinen Sohn mitgebracht, das Kind meiner Frau, der Schwester von Riothamus. Er soll Euch in Eurem Haushalt dienen.« Damit legte er die Hand auf die Schulter des Knaben und schob ihn auf den Thron zu.
    »Wie ist dein Name? «, erkundigte sich Artor, beugte sich mit den Ellbogen auf den Knien vor, und das erste echte Lächeln an jenem Nachmittag zeigte sich auf seinem Gesicht.
    »Bediver, Herr.« Der Junge sprach leise, aber durchaus deutlich – er musste wohl an fürstliche Höfe gewöhnt sein, dachte Oesc.
    »Dann sollst du mein Mundschenk sein. Möchtest du das, Bediver?«
    »Das möchte ich sehr gerne.«
    Bedivers Augen leuchteten. Oesc seufzte. Es ließ sich nicht leugnen, dass der britische König Ausstrahlung besaß. All die jungen Männer waren fast verliebt in ihn. Nur ich nicht, dachte er mit düsterer Miene.
    »Dann kannst du dich dort drüben hinstellen, und heute Abend, wenn wir zu Ehren deines Vaters feiern, wirst du an meiner Tafel dienen.« Artor deutete in Richtung der

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