Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
Geiseln.
    Während die Hofgeschäfte ihren weiteren Lauf nahmen, wandte Bediver sich an seine neuen Gefährten.
    »Wer seid ihr?«
    »Wir sind die Geiseln des Königs. Dieser schwarzköpfige Bursche da ist Cunorix, ein Ire aus Demetia, und ich bin Oesc aus Cantium.« Nun würde der Knabe begreifen, als was er, ungeachtet der edlen Worte, tatsächlich zählte.
    »Behagt es euch nicht?«, fragte Bediver, wodurch er überraschende Beobachtungsgabe bewies. »Es heißt, der große Aetius war Geisel der Hunnen, und Attila selbst soll eine Zeit lang Geisel in Rom gewesen sein. So lernen wir etwas über andere Völker und deren Länder.«
    Damit das zu etwas nütze ist, dachte Oesc mürrisch, muss man wieder nach Hause zurückkehren. Aber er schwieg.
     
    Eines Abends kurz nach Mittsommer, als alle Fenster geöffnet waren, um auch den geringsten kühlen Lufthauch hereinzulassen, der vom Fluss heraufwehen mochte, kehrte Artor mit forschen Schritten, das Gesicht einem Donnerwetter gleich und mit Gai an seiner Seite, von einem Treffen des Rates zurück.
    Oesc und Cunorix, die abwechselnd mit Bediver Mühle gespielt hatten, erhoben sich, als der König in der Tür erschien. Zu versuchen, drei Spielsteine in eine Reihe des Diagramms zu bekommen, war ein Spiel für Kinder, dennoch mochte es Oesc, weil das Muster ihn an ein germanisches Schutzsigel erinnerte, das man »Schreckenshelm« nannte. Hastig griff er nach den Spielsteinen, als das Spielbrett erzitterte, dann richtete er sich auf.
    »Ich habe den Großteil eines erstickend heißen Tages damit zugebracht, alten Männern beim Streiten zuzuhören«, erklärte Artor. »Die mögen vielleicht kein Blut mehr in den Adern haben, aber meines braucht dringend eine Abkühlung. Ich gehe zum Fluss hinunter schwimmen – möchte irgendjemand mitkommen?«
    »Ich!«, rief Bediver und stieß das Spielbrett an, als er daran vorbeihastete. Diesmal rettete es Cunorix und legte es auf das Bett. Er schaute zu Oesc, dann nickte er.
    »Wir kommen auch mit.«
    Als sie die Treppen hinab zum Flussufer aufbrachen, beschlich Oesc der Eindruck, dass Artor, umgeben von alten Männern, die allesamt glaubten, sie wüssten es besser als er, in gewisser Weise ebenfalls ein Gefangener war. Die Vorstellung, dass er sich an seine eigenen Gefangenen wenden musste, um Gesellschaft zu haben, hatte etwas Trauriges. Es bereitete Oesc Unbehagen, Artor zu bemitleiden, weshalb er den Gedanken rasch verdrängte, doch die Vorstellung wollte ihn nicht loslassen.
    Der Palast befand sich nah am Fluss, dennoch mussten sie dem Pfad entlang des Ufers eine Weile folgen, bis sie zu einer Stelle gelangten, an der das Flussbett seicht und fest genug war, um hineinzuwaten. Einige Leute aus der Stadt mit tollenden Kindern platschten bereits vergnügt darin herum. Als sie herannahten, schaute jemand auf, sah, dass es sich um Fremde handelte und wandte sich wieder ab.
    Mit leuchtenden Augen drehte Artor sich zu den anderen um und hob den Finger an die Lippen. Da wurde Oesc bewusst, dass sie, nur mit einfachen Hemden und Hosen bekleidet, ohne jedes Zeichen von Rang oder Krone, wie jede andere Gruppe junger Männer aussahen, die zum Schwimmen gingen. Er schlüpfte aus den Sandalen, zog das Hemd aus und legte es über einen Busch; gleich darauf folgte das Unterkleid. Wie alle Kinder aus dem Sumpfland hatte auch er als kleiner Junge schwimmen gelernt. Mit einem flachen, langen Kopfsprung, der ihn weit vom Ufer forttrug, tauchte er ins Wasser. Die Strömung war stärker als erwartet, zudem kalt. Er musste sich anstrengen, um zurück ins Seichte zu gelangen.
    Artor streckte die Hand aus. Oesc ergriff sie, und es überraschte ihn, wie kraftvoll er ihn ans Ufer zog. Dann kam er wieder auf die Beine und verharrte keuchend.
    »Wag dich nicht zu weit hinaus – sonst reißt dich die Strömung fort«, warnte ihn Oesc.
    »Ich weiß… manchmal wünschte ich, es wäre so…«
    Ein Augenblick gespannter Stille trat ein. Dann sah Artor, dass Oesc ihn anstarrte, schüttelte leicht den Kopf und lächelte. Gleich darauf spritzte er Bediver nass, und in der folgenden Wasserschlacht verlor sich jener Augenblick der Gemeinsamkeit.
    Als aber das Licht des langen Sommertages letztlich zu schwinden begann, und sie zögernd wieder in die Kleider schlüpften, erinnerte Oesc sich an jenen Moment gegenseitigen Verständnisses.
    Der Tag mochte sich wohl dem Ende zuneigen, doch sie waren jung, ebenso die Nacht. Vor einem Jahrhundert hatte Londinium als die

Weitere Kostenlose Bücher