Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
Vorstellung schrieb, ein vernunftbegabter Mensch könnte Augustinus’ strenge Lehren anerkennen. Ihr Leiden unter den Sachsen machte es einfacher, an Vorherbestimmung zu glauben, doch der alte Priester gebarte sich nach wie vor so, als wäre die Reinheit des Lateins, das ein Mensch sprach, ebenso wichtig wie die Reinheit der Seele des Menschen.
    Cunorix räusperte sich. »Aber was bedeutet das?«
    Lächelnd und ohne auf die Schriftrolle zu schauen, begann Fastidius abermals zu zitieren: »Troiae qui primus ab oris Italiam fato profugus Lavinaque venit litora… Der zuerst vom Schicksal zur Flucht aus Troja Verdammte gelangte nach Italia und landete an den Ufern Laviniums. Es ist die Geschichte von Aeneas, der dem Untergang der großen Stadt Troja entkam und zum Gründer Roms wurde.«
    »Ich habe von ihm gehört«, meinte Artor bedächtig. »Es heißt, die Ahnen der Briten kamen von dort, mit Brutus, seinem Urenkel.«
    Oesc aber schien es, als ähnele Aeneas’ Geschichte sehr jener seines eigenen Volkes, das die Not, eine neue Heimat zu suchen, an fremde Ufer getrieben hatte. Er deutete auf die Schriftrolle.
    »Wie ist dieser Aeneas nach Italia gelangt, und was ist ihm dort widerfahren?«
    Fastidius lächelte. »Ich dachte mir schon, dass ihr die Geschichte mögen würdet. Sie erzählt von vielen Schlachten. Einige meiner Brüder würden wohl sagen, ihr solltet Texte der Heiligen Väter studieren. Aber ich habe den Eindruck, ihr macht bessere Fortschritte mit Geschichten, die euch interessieren; zudem schrieb Vergilius viel besseres Latein.«
    »Sogar Gai könnte vielleicht etwas lernen, wenn es mit Schlachten zu tun hat – « Spielerisch stieß Artor seinen Stiefbruder an. »Bei unserem Hauspriester damals war er ein erbärmlicher Schüler.«
    Tatsächlich schien es, als erzielten sie mit der Aeneis als Text bessere Fortschritte, während sie den Abenteuern des trojanischen Helden auf seiner Suche nach einer neuen Heimat in den Mittelmeerländern folgten. Und wenn die Mühe, lateinische Deklinationen zu entwirren, zu viel für ihre Geduld wurde, ließ Fastidius sich dazu überreden, sie mit Geschichten über britische Helden zu unterhalten; denn er stammte von der Insel Mona, wo die Erinnerungen weit zurückreichten.
    Als der Herbst Einzug hielt, folgte der gesamte Hof dem Tamesis flussaufwärts in die Hügel, um ein paar Wochen zu jagen. Bei der Rückkehr waren sie von Sonne und Wind braun gebrannt, auf angenehme Weise erschöpft von den anstrengenden Ausritten und mit genug Wildbret beladen, um eine Zeit lang Abwechslung in den Speiseplan zu bringen. Es hatte gut getan, aus der Stadt hinauszukommen, doch in mancherlei Hinsicht wirkte sie danach umso erstickender, besonders als das Wetter umschwang und die frühen Winterregen einsetzten.
    »Kennt Ihr irgendwelche Geschichten über Londinium?«, fragte Bediver eines Tages, während der bleierne Himmel ohne Unterlass weinte und durch jede Ritze feuchte Zugluft wehte.
    Fastidius legte die Tafel beiseite, auf der er gerade Bedivers Liste lateinischer Verben überprüfte, und lächelte. »Ich habe euch bereits erzählt, wie Brutus die Stadt gründete und sie Troia Nova nannte, was auf Britisch Trinovantum hieß, wovon sich der Stamm der Trinovantes ableitet. Es heißt, sein Nachkomme Lud errichtete Mauern und Türme und benannte die Stadt nach sich selbst. Aber das war, kurz bevor der große Julius Caesar die Römer an diese Ufer führte. Die lateinische Geschichte berichtet, Londinium wäre lediglich ein kleiner Ort am Fluss gewesen, den die Römer aus Stein neu erbauten; folglich weiß ich nicht, was tatsächlich der Wahrheit entspricht.«
    »Bauwerke sind nicht besonders aufregend«, meinte Cunorix. »Gibt es keine anderen Geschichten?«
    Fastidius’ Brauen, so schlohweiß wie sein Haar und außerordentlich buschig, zogen sich zusammen. »Es gibt eine andere Geschichte, aber die endet hier und jetzt. Wenn ihr eure Tafeln nehmt und mir sämtliche Formen von placare, ›besänftigen‹, conloqui, ›verhandeln‹ und agere, ›einen Vertrag schließen‹ aufschreibt, erzähle ich euch eine Geschichte aus dem alten Land der Ordovices, und zwar über einen König von so großer Gestalt, dass ihm kein Gebäude Platz zu bieten vermochte.«
    »Glaubt Ihr, wir sind so abgeneigt, Wörter des Friedens zu verwenden, dass Ihr uns bestechen müsst, damit wir sie lernen?«, fragte Artor lachend.
    »Ich glaube, dass ihr alle junge Männer seid, die der Meinung sind, Ruhm könnte

Weitere Kostenlose Bücher