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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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aufgerissenen Augen und schlammbedeckten Beinen in der Tür erschien.
    »Herr, kommt schnell! Sie haben einen Kopf gefunden – einige sagen, es sei ein Dämon, andere meinen, ein Gott. Er war eingemauert, Herr, wie etwas ungemein Mächtiges. Sie wollen ihn in den Fluss werfen. Ich habe versucht, sie davon abzubringen, aber sie wollen nicht auf mich hören!«
    »Ich weiß, wie dir zumute ist«, bemerkte der König. »Na schön, ich komme. Vielleicht sind wenigstens die Leute bereit, auf mich zu hören!«
     
    »Man nennt ihn den Weißen Berg, Herr, obwohl es nur ein kleiner Hügel am Wasser ist –«
    Oesc sah, wie Artor kurz zögerte, dann fiel ihm plötzlich ein, wo er den Namen schon gehört hatte. Er beschleunigte die Schritte, um die beiden einzuholen, während der Arbeiter munter weiterplapperte.
    »Herr, der Fluss ist angeschwollen, und wir wollten ein paar Pflöcke in die Erde rammen, um die Böschung zu sichern. Dabei sind wir auf etwas Hartes gestoßen, obwohl wir natürlich nicht wussten, was es war, und Marcellus sagt noch: ›Das ist aber merkwürdig -‹, und dann ist der Boden einfach irgendwie weggerutscht, und wir haben diese großen Steinplatten gesehen, um die das Wasser spülte.«
    Weiter vorne am Wasser hatte sich eine Gruppe von Leuten eingefunden. Jemand sah den König nahen, der noch die Prunkgewänder trug, die er für den Rat angelegt hatte, und stieß einen Schrei aus, und sogleich eilte die Menge Artor entgegen.
    »Ich habe ihnen gesagt, sie sollen’s lassen, wie’s ist, aber Marcellus meinte, das wäre guter Stein zum Bauen und hat einen Haken die Spalte hinabgelassen, und dann haben sie gezogen, und die ganze Platte ist umgestürzt und dann –«
    Doch mittlerweile waren sie am Fluss angelangt, und Artor gebot mit einer Geste Ruhe. Wie der Arbeiter gesagt hatte, handelte es sich lediglich um einen kleinen Hügel, den jedoch drei schöne Eichen krönten. Einige Raben hockten darauf, und als sie sich näherten, flogen weitere herbei und umkreisten krächzend den Hügel. Oesc verspürte ein unbehagliches Prickeln, und als er Artors ernsten Blick gewahrte, wusste er, dass auch er den Hauch der Anderswelt wahrnahm. Gai stand mit verschränkten Armen da und funkelte düster in die Menge.
    Die Leute wichen vor ihnen zurück. Am Rande des Wassers klaffte ein Loch im Hügel. Die umgestürzte Steinplatte hatte eine kleine, rechteckige Kammer mit Wänden und einem Dach aus Stein enthüllt. Dies war kein römisches Mauerwerk. Die Größe der Steine erinnerte Oesc an die Werke der Riesen, die er gesehen hatte. Wasser hatte den Steinboden überschwemmt und umspülte den Steinblock in der Mitte der Kammer. Darauf stand etwas, das dem zu Stein erstarrten Kopf eines Mannes gewaltiger Größe ähnelte. Ausdruckslose, mandelförmige Augen starrten ihnen von beiderseits einer langen, geraden Nase entgegen; eine Masse wirren Haars umrahmte das Gesicht.
    Artor betrachtete den Kopf eine Weile, dann bückte er sich, um in die Kammer zu spähen. »Sieh mal, Gai«, rief er. »Das ist nicht aus Stein, sondern getöpfert.«
    »Nicht anfassen!«, setzte Gai an, aber Artor betrat die Kammer bereits.
    »Unsinn«, entgegnete er über die Schulter. »Wenn wir es hier lassen, wird es zerstört.« Alle hielten den Atem an, als der König den Tonkopf mit beiden Armen ergriff und sich umdrehte, um ihn nach draußen zu tragen.
    Als er ihn ins Sonnenlicht brachte, war alles still um ihn. »Bendeigid Bran…«, raunte jemand, und aus dem Geflüster wurde ein ehrfürchtiges Gemurmel.
    Bei genauerer Betrachtung erinnerten Oesc die Züge ein wenig an jene Merlins, doch obwohl der Druide eine ebenso wilde braune Mähne besaß, hatte er in dessen Antlitz noch nie einen Ausdruck solcher Erhabenheit entdeckt. Er hatte nicht lange Zeit, die beiden zu vergleichen. Als das Sonnenlicht auf den Tonkopf schien, zeigte sich ein feines Netz von Rissen auf der Oberfläche.
    Artor sank im Schlamm auf die Knie und drückte den Kopf behutsam an die Brust, doch binnen weniger Lidschläge zerbröckelte der Ton. Nachdem er abgefallen war, sahen sie, dass jenes Gefäß weder Asche noch Schätze enthalten hatte, sondern einen menschlichen Schädel. Nur kurz starrten sie auf die großen, leeren Augenhöhlen und die mächtigen Kiefer, dann begann auch der Schädel zu zerbröckeln. Ton und Knochen bröselten zwischen Artors Fingern ins Wasser, wo die Strömung sie sogleich hinwegwirbelte.
    Die Raben schwirrten krächzend von den Bäumen herab, aber

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