Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
Macht verliehen, doch bislang war Oesc in den britischen Landen dergleichen nicht begegnet.
     
    Seht, der Mittsommer ist vorüber,
    des Mondes Sichel erntet die Sommersterne.
    Der Leib der Mutter schwillt an:
    Die Rinder werden fett, das Korn wächst hoch;
    ihre Kinder erheben sich und hegen das Land.
     
    Die Reihe der Druiden teilte sich und gab den Blick auf einen Thron frei, der im hinteren Bereich der Bühne aufgestellt war. Darauf war die Gestalt einer in dunkle Schleier gehüllten Frau zu erkennen.
     
    »Die Mutter hat das Leben geschenkt, ihr Sohn ist erwachsen;
    Herr des Speers des Lichts, Gott der geschickten Hände,
    möge der Mutter Sohn sich erheben und vortreten,
    um sein Volk zu segnen – «
     
    Die Häute, die vor die Stirnseite der Tribüne genagelt waren, erzitterten, und eine weitere Gestalt, die in goldenes Stroh gewandet war, trat hervor. Das Stroh war so geflochten und vernäht, dass es einen Helm bildete, der Kopf und Gesicht verbarg. Zwei weitere Schichten Stroh dienten als Umhang und Kilt. Der Schild, den der Neuankömmling trug, war aus frischem Holz gearbeitet und mit einem vergoldeten Schildbuckel verziert, und auch die Spitze des Speeres funkelte golden.
    Einen Augenblick verharrte er und starrte in die Runde, dann begann er zu singen und die Stimme des Mannes klang gedämpft durch die Strohmaske:
     
    »Wohl habt ihr gearbeitet und lange euch gemüht
    nun kommt die Zeit, euch eures Lohns zu erfreuen.
    Ruht aus nun und frohlockt, vorbei die Ungewissheit;
    lacht, singt und tanzt, feiert, und seid glücklich.
    Meine Liebe ist die Hitze, die euch wärmt;
    mein Licht ist der Schein, der euch die Welt zeigt.«
     
    »Das ist Lugus«, erklärte Gwalchmai. »Er ist der strahlende Gott, der alles vermag. Die Raben lehren ihn Weisheit.«
    »In meinem Land heißt es, sein Speer sei so mächtig, dass die Spitze ständig in einem Kessel voll Wasser aufbewahrt werden muss, weil sie sonst die Welt verbrennen würde«, warf Cunorix ein.
    Oesc ruckte jäh aus seinem Dämmerzustand hoch und starrte ihn an.
    »Der Gott meines Volkes, Woden, sendet seine Raben aus, auf dass sie ihm Wissen beschaffen, und mit seinem Speer holt er sich die Verdammten von den Schlachtfeldern…«, flüsterte er.
    »Mein alter Lehrmeister hat mir einst erzählt, dass die Mutter Apollos aus dem Land der Hyperboräer im fernen Norden stammte, und dass er das Volk von Thera einst in der Gestalt eines Raben anführte«, sagte Bediver. Kurz trafen seine Augen jene Oescs, dann bekreuzigte er sich und wandte den Blick ab.
    Der Gott ist hier, dachte Oesc. Vielleicht ist das der Name, den er in den britischen Landen trägt. Nachdem er nun so lange von seinem eigenen Volk und dessen Riten getrennt war, schauderte er, als ihm plötzlich bewusst wurde, dass der Mummenschanz vor ihm tatsächlich Macht heraufbeschwor und sie bündelte. Und noch während ihm das in den Sinn kam, spürte er, dass die Kraftströme sich veränderten. Abermals bewegten sich die Häute, als eine riesige, dunkle Gestalt zwischen ihnen hervortrat, die einen schwarzen Umhang und einen Lederhelm mit zwei Stierhörnern trug.
    »Herr des Blitzes, steh mir bei!« Er sprach mit tiefer, volltönender Stimme. Dann wiegte er den Oberkörper hin und her und senkte den Kopf und der strahlende Gott wandte sich ihm zu. Die Druiden traten zurück und ihr Fackellicht spiegelte sich im Schmuck der Prinzessin auf dem Thron, die sich vorgebeugt hatte und das Schauspiel betrachtete. Auch Artor verfolgte den Scheinkampf mit Interesse.
     
    »Ich bin der Schatten an deiner Schulter,
    die Dunkelheit, die dein Licht wirft.
    Ich stamme aus den Tiefen der Erde,
    verschlinge die Kinder des Tages.
    Alles, was die Mutter austrägt, ist Fleisch für mich:
    die Ernte und die Rinder, die sie fressen,
    und die Menschen, deren Leben die Rinder sind.
    Die Herrin des Lebens nehme ich gefangen…«
     
    Dann rannte er auf das Podest zu, vollführte einen Scheinhieb mit der Keule, und die verschleierte Frau auf dem Thron schrak zurück. Da hielt er mit erhobener Keule inne, und sein tiefes Gelächter grollte durch das Tal.
     
    »Ich bin der Schwarze Stier.
    Ich bin die Seuche, die eure jungen Männer tötet,
    die Flut, die eure Felder überschwemmt,
    das Feuer, das eure Heime verbrennt.
    Ich bin der Zerstörer,
    der eurer Leben zu Staub zertrampeln wird!«
     
    Bei den Worten richtete Lugus sich auf und brachte den Speer in Anschlag.
     
    »Und ich bin der Verteidiger!
    Ich kämpfe für alles, was

Weitere Kostenlose Bücher