Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
über die Niederungen, die sie an die Wassermassen erinnerten, welche die Ebene im Winter in einen Binnensee verwandelten. Ein paar kleine Hügel ragten wie Inseln hervor, beherrscht von einer spitzen Kuppe in der Mitte des Tals. Bei diesem Licht wirkte sogar der Tor hell leuchtend; sie fragte sich, ob man ihn deshalb manchmal die Insel aus Glas nannte.
Das Pony war stehen geblieben und zerrte an den Zügeln, als es versuchte, das Gras zu erreichen. Gwendivar riss den Kopf des Tieres hoch und setzte es wieder in Bewegung. Sie runzelte die Stirn, als sie sich eines dumpfen Schmerzes im unteren Kreuz gewahr wurde. Im Handgalopp erwies Jungschwan sich als anmutig wie der Vogel, dem sie ihren Namen verdankte, ihr Trott hingegen war eine Qual.
Plötzlich erschien ihr der am Gurt befestigte Beutel mit Äpfeln, Brot und Käse äußerst verlockend. Gwendivar versetzte dem Pony einen leichten Tritt und lenkte es den Hügel hinab zur Quelle.
Die Quelle war wenig mehr als ein Leck in der Seite des Hügels, aber das ständige Tröpfeln des Wassers hatte einen kleinen Tümpel gegraben, den Farn und Mauerpfeffer säumten und dem eine Weide Schatten spendete. Auf den sonnigen Hängen welkte das Gras allmählich, doch rings um die Quelle hatte die um sich greifende Feuchtigkeit ein üppiges Grün gewahrt. Jungschwan zerrte an den Zügeln, begierig, sich über das saftige Gras herzumachen. Lachend schwang Gwendivar das rechte Bein über den Hals des Ponys und glitt von dessen Rücken.
»Du bist eine Gans, kein Schwan«, rief sie, »und genauso gierig. Aber während wir essen, können wir es uns ruhig gemütlich machen.« Sie drehte sich um und wollte dem Tier die Satteldecke abnehmen. Jäh verharrte sie und starrte auf das Blut, das den Stoff durchtränkt hatte.
Hastig löste sie die Schnalle, zog die Decke herunter und suchte nach der Wunde. Aber das schweißgedunkelte Fell des Ponys war unversehrt.
Gwendivars rasender Puls hallte wie Donner in ihren Ohren wider. Sie legte der Stute Fußfesseln an, damit sie grasen konnte, dann öffnete sie zögerlich ihre Reithose, die einst ihrem älteren Bruder gehört hatte, als er noch ein Knabe gewesen war. Sie zog die Hose herunter und sah am Innensaum den verräterischen roten Fleck.
Leise fluchend zog sie die Hose aus. Sie konnte sie waschen, dann würde es niemand erfahren. Aber noch während sie sich über den Tümpel beugte, spürte sie etwas Warmes und sah, wie ein neues Rinnsal die Innenseite ihrer Oberschenkel hinunterrann.
Da wich die Panik tiefer Verzweiflung; sie rollte sich auf dem Gras zusammen und ließ die heißen Tränen fließen.
Gwendivar schluchzte immer noch, als sie spürte, dass sie nicht allein war. Im ersten Augenblick hätte sie nicht zu sagen vermocht, was sich verändert hatte. Es war, als hörte sie Musik, obwohl kein Geräusch zu vernehmen, kein Duft zu riechen, noch eine Veränderung in der Luft zu spüren war. Als sie sich aufsetzte, einigten ihre Sinne sich darauf, der Sicht die Wahrnehmung zu überlassen, und sie sah ein Schimmern, das sie als den Geist des Tümpels erkannte. Worte bildeten sich in ihrem Bewusstsein.
»Du bist heute anders.«
»Ich habe meine Mondblutung«, erwiderte Gwendivar verbittert. »Von nun an wird sich alles ändern!«
»Alles ändert sich ständig. «
»Manche Veränderungen sind schlimmer als andere. Jetzt wird meine Mutter mich zu Hause behalten und spinnen lassen, während sie mir Vorträge über einen eigenen Haushalt und einen Gemahl hält! Nun wird sie mich nie wieder allein ausreiten lassen! Ich will dieses Blut nicht! Ich will mich nicht verändern!«
»Es war das Blut, das mich gerufen hat«, lautete die Ant wort.
»Was?« Sie schlug die Augen wieder auf. »Ich dachte, Erwachsenwerden hieße, ich könnte dich niemals mehr sehen.«
»So ist dem nicht. Wenn du deine Blutungen hast, ist es einfacher.«
Gwendivar spürte, wie sich die Härchen an ihren Armen aufrichteten. Rings um sie verdichtete sich die Luft mit leuchtenden Schemen: der schlanke Leib des über sie gebeugten Weidenmädchens; die Geister des Rieds und der Blumen; luftige, im Wind treibende Formen; gedrungene Gestalten, die sich aus den Steinen lösten.
»Warum bist du hier?«, flüsterte sie. »Was bedeutet dir mein Frauenblut?«
»Es verheißt Leben. Es bedeutet, dass du Teil der Magie bist.«
»Ich dachte, es bedeutete bloß, dass ich nun Kinder kriegen könnte. Ich will nicht verbraucht werden wie meine Mutter, die ein sterbendes Kind nach
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