Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
setzen, die in das dunkle Nass führten.
In jenem ersten, schrecklichen Augenblick vermochte sie nicht zu sagen, ob das Wasser heilig war, nur dass es eiskalt war. Sie unterdrückte einen Aufschrei und verharrte bibbernd, während das Wasser um ihre Hüften spülte.
»Im Namen der heiligen Jungfrau, mögest du gereinigt werden von aller Sünde, allem Makel«, murmelte Schwester Julia, schöpfte mit einer Holzschale Wasser aus dem Teich und goss es über Gwendivars Schultern.
»Im Namen der seligen Gottesgebärerin, mögest du gereinigt werden.« Nun war ihre Mutter an der Reihe.
»Im Namen der schmerzensreichen Mutter…« Die alte Nonne schüttete Wasser über ihren Kopf und wich zurück.
Im Namen aller Götter, lasst mich hier raus, bevor ich erfriere!, dachte Gwendivar und schob sich auf die Stufen zu. Ihre Mutter gebot ihr mit einem einzigen Wort Einhalt. Wenn Gwendivar den Augen ihrer Mutter entrann, tat sie, was sie wollte, doch sie hatte noch nie gewagt, ihr unmittelbar zu trotzen. Zitternd verharrte das Mädchen.
Der Himmel erhellte sich zu einem leuchtenden Rosa, das an die Innenseite einer Muschel erinnerte. Das Licht lag wie ein Schleier über dem Wasser. Gwendivar holte kurz Luft und stellte fest, dass sie nicht mehr bibberte und ihre Haut stattdessen prickelte.
»Geist der heiligen Quelle«, drangen die Worte leise von ihren Lippen, »schenk mir deinen Segen.« Mit der Hand schöpfte sie Wasser aus dem Teich und trank es. Der Geschmack nach Eisen überraschte sie. Dann, bevor der Mut sie verlassen konnte, holte sie rasch Luft und tauchte unter.
Einen längeren Moment verharrte sie so. Ihr heller Schopf verteilte sich an der Oberfläche, jedes Härchen an ihrem Körper hob sich mit seiner eigenen Luftblase. Das Wasser, das sie geschluckt hatte, jagte einen Schauder durch jede Ader. Das Prickeln ihrer Haut verstärkte sich, als dringe das Wasser bis zu ihren Knochen durch. Dann, gerade als sie die Schmerzgrenze erreichte, ward es Licht. Die Kraft der Helligkeit ließ Gwendivar mit erhobenen Armen emporschnellen und das Gesicht der aufgehenden Sonne zuwenden.
Sie hörte, wie eine der Frauen scharf die Luft einsog. Die Sonne ging rot über dem Hang des Hügels auf. Rosiges Licht glänzte auf ihrer feuchten Haut, glitzerte auf der Wasseroberfläche. Eine Weile starrte sie empor, dann wurde das Licht golden, und sie konnte nicht mehr hinsehen.
»Empfange den Segen des Sohnes Gottes«, rief ihre Mutter. Doch es war eine andere Stimme, die Gwendivar hörte.
»Sei gesegnet von der Leben spendenden Sonne, denn so lange du in ihrem Licht wandelst, wird dich keine andere Macht von dieser lebendigen Welt trennen…«
Das Ritual hatte eine weitere Zeugin, die vom Hügel aus beobachtete, wie die Frauen Gwendivar aus dem Teich halfen und ihren makellosen Leib in die unförmige Robe einer Büßerin steckten. Als Igraine erstmals von dem geplanten Ritual hörte, hatte sie befürchtet, sie wollten aus dem Mädchen eine Nonne machen; die tatsächliche Absicht war allerdings ebenso schwer zu begreifen. Welche Sünden konnte ein Kind mit zwölf Jahren begangen haben? Petronilla hatte vor ihrer Ehe eine Zeit am Hof von Igraine verbracht. Sie entstammte einer alten römischen Familie, die seit langem dem christlichen Glauben angehörte. Igraine wusste, dass es nicht die Flecken der Kindheit waren, die Gwendivars Mutter abwaschen wollte, sondern der erwachende Liebestrieb ihrer Tochter.
Wenn dem so war, hatte sie den falschen Ort dafür gewählt. Igraine wusste, wie der Lichtblitz zu verstehen war, den sie im Teich gesehen hatte; ebenso wusste sie, dass die hier von Joseph von Arimathia gegründete Mönchskolonie zwar gelernt hatte, die Magie des Tor zu verwenden, sie hatte sie jedoch nicht verändert. Die Mächte, die hier weilten, waren bereits sehr alt, als die ersten Druiden diesen Hügel entdeckten. Es sollte sie nicht überraschen, dass die Geister des Tor dieses Mädchen anerkannten, dessen Antlitz sie zum ersten Mal in einer Vision gesehen hatte. Doch dadurch wurde nur umso dringender, dass sie mit Gwendivar sprach. Was schwierig werden würde, denn Petronilla ließ ihre Tochter kaum aus den Augen. Nachdem die Frauen den Teich verlassen hatten, bahnte Igraine sich den Weg hinunter und fand in den Zweigen über dem Eingangstor eine Strähne rotgoldenen Haares. Lächelnd rupfte sie sich ein paar bleiche Haare aus und begann sie miteinander zu verflechten, wobei sie einen Zauberspruch flüsterte.
Die
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