Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
über ein Feuer gehängt. Das Wasser darin begann zu dampfen. Morgause spürte, wie ihre Lippen sich zu einem bitteren Lächeln verzogen – wie es schien, würde sie doch noch in die Geheimnisse des Kessels eingeweiht werden.
Tulach schritt in Richtung des Sonnenlaufs die Innenseite des Kreises ab, verstreute Kräuter und sang etwas in der alten Sprache. Morgause blinzelte und fragte sich, ob es die zunehmende Dunkelheit war, die es plötzlich schwierig gestaltete, zu sehen.
Dann erspähte sie im Zwielicht Tulach, die auf sie zukam.
»Wer bist du, und weshalb bist du hergekommen?«
»Ich bin Morgause, Tochter der Igraine«, hörte sie sich antworten, »und ich bin gekommen, um den alten Mächten meine Dienste anzubieten.«
»Das ist gut. Nimm das Opfer« – sie deutete auf den Beutel –, »und tritt ein.«
Was danach geschah, blieb nur verschwommen in Morgauses Gedächtnis haften. Es folgten weitere Gesänge in jener seltsamen Sprache, während die drei greisen Frauen Kräuter, Pilze und andere, namenlose Dinge in den Kessel warfen. Der würzige Dampf benebelte Morgauses Sinne, sodass sie manchmal vermeinte, eine Schar von Gestalten rings um die Frauen zu sehen, dann wieder nur die drei.
»Wir befinden uns auf den Gräbern uralter Seelen«, erklärte Tulach. »Sei nicht überrascht, wenn das Ritual sie anzieht.«
Kurz darauf schwollen die Gesänge zu einem Höhepunkt an. Mittlerweile hatte die Finsternis vollends Einzug gehalten; in dem Kreis jagten die flimmernden Fackeln Schatten rings um das Feuer.
»Nimm den Beutel«, forderte Tulach sie auf, »und hol behutsam heraus, was du darin findest.«
Morgause war bereits zu dem Schluss gelangt, dass es sich um ein Tier handeln musste, weshalb sie sich keineswegs überrascht zeigte, dass sie plötzlich einen großen Hasen in den Händen hielt. Jeder wusste, dass der Hase ein Geschöpf mächtiger Magie war. Ein Fischer, der auf seinem Weg zu den Booten einen Hasen sah, würde umkehren und an jenem Tag zu Hause bleiben. Hasen wurden niemals gejagt und niemals gegessen, außer wenn sie der Göttin geopfert wurden. Zuerst wehrte sich das Tier, aber nachdem sie es den Dampf einatmen ließ, hielt es jäh inne. Tulach ergriff es bei den Ohren und reichte Morgause ein Steinmesser.
»Töte ihn«, befahl sie, »und verteil das Blut auf den Steinen.«
Das Steinmesser war schärfer, als Morgause erwartet hatte, dennoch wurde es eine schmutzige Angelegenheit. Dann gelang es ihr, die große Vene zu öffnen; sie streckte den Tierleib von sich, sodass Blut über den Stein spritzte, sich in den Ausbuchtungen sammelte und an den Seiten hinabrann. Eine der anderen Frauen ergriff das Opfer und begann, es zu häuten. Wenig später siedete der zerlegte Leib zusammen mit den Kräutern im Kessel.
Der bluttriefende Kopf prangte auf dem größten Stein; Morgause blinzelte, denn ein fahles Leuchten umgab den Felsblock. Sie sah sich um und stellte fest, dass auch die anderen Steine in einem Licht strahlten, das nichts mit dem Feuer zu tun hatte. Jede Bewegung von Tulach und den drei Priesterinnen hinterließ schimmernde Schlieren in der Luft. Morgause fühlte, wie ihr Bewusstsein verschwamm und wusste, dass sie bereits tief in einen Dämmerzustand verfallen war. In jenen wenigen Momenten, in denen sie noch zu denken vermochte, wimmerte es in ihr kläglich. Wieso sollten sie sich mit dem Hasen begnügen, wenn sie eine Königin opfern konnten?
Die anderen Frauen hatten ihre schwarzen Roben abgelegt. Zunächst vermeinte Morgause, sie trügen darunter blau bestickte Gewänder. Dann erkannte sie, dass es Haut war, was sie sah, in die mit Färberwaid verschlungene Muster tätowiert waren. Morgause war zu benommen, um sie davon abzuhalten, auch ihr den schwarzen Mantel auszuziehen, doch innerhalb des Kreises erwies sich die Luft als warm.
Tulach begann zu sprechen; ihre Stimme klang verzerrt, so als dringe sie durch Wasser. »Wir werden keine bleibenden Merkmale in deine Haut ritzen, aber die geheiligten Zeichen, die wir auf deinen Leib malen, werden deine Geistergestalt kennzeichnen, damit die Mächte sie sehen können…«
Sie tauchte einen kleinen Pinsel in eine Schale, in der Hasenblut mit etwas anderem vermischt worden war und begann, auf Morgauses Brust und Bauch die gleichen Spiralen zu zeichnen, die an ihrem eigenen Körper prangten. Die Berührung des Pinsel kitzelte und ließ ein Kribbeln zurück. Als die Priesterinnen damit fertig waren, sie vorne und hinten von den Oberarmen
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