Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
würde. Mit dem Kessel wäre sie ihnen ebenbürtig gewesen. Im Lauf der vergangenen Jahre war das Verlangen danach von einem beständigen Ärgernis zu einer Besessenheit geworden. Der Kessel musste ihr gehören!
Morgause hatte vorgehabt, ihrer Mutter nach Camelot zu folgen und ihr dort gegenüberzutreten, doch nun war der Schaden bereits angerichtet. Dennoch musste Igraine irgendwann auch schließlich wieder abreisen. Mittlerweile hielt Morgause es für besser, ihre Anwesenheit in der Gegend geheim zu halten. Vor ihr hatte der Sturm die Straße ausgewaschen. Jede Reisegesellschaft, die versuchte, aus dem Süden zum See zurückzukehren, musste einen Umweg über die Wälder einschlagen.
Der vom Sturm in Mitleidenschaft gezogene Wald hätte sich kaum besser für einen Hinterhalt eignen können. Erlen- und Eichenäste lagen über den Boden verstreut, während Salweiden und Weiden sich im Sturm geneigt hatten. Das Sumpfgras stand halb unter Wasser, das höher gelegene Gelände präsentierte sich schlammig. Zu ihren Füßen neigte sich eine Ringelblume in der sanften Brise. Morgause fragte sich, wie die Pflanze dem Zorn des Sturmes entkommen sein mochte.
»Hier halten wir«, erklärte sie ihren Männern. »Uinist, stell eine Wache auf und schick Kundschafter in die Wälder, um die Straße nach Süden zu beobachten. Doli, deine Aufgabe besteht darin, die Männer so aufzustellen, dass sie erfolgreich angreifen können. Nachdem wir fertig sind, fliehen wir nach Westen. Falls ein Verdacht aufkommt, wird man die Hauptstraße absuchen, die von Lindinis aus nach Norden führt. Niemand wird erwarten, dass wir das höher gelegene Gelände umgehen und uns auf das Meer zubewegen.«
Sie mussten drei Tage warten, ehe ihre Männer von einer großen Reisegesellschaft berichteten, die aus Richtung Camelot die Straße heraufkam. Morgause war klar, dass die Pferdesänfte ihre Mutter befördern musste. Doch auch ohne die Kundschafter hätte sie gewusst, wer und was sich näherte – sie spürte die Anwesenheit des Kessels, als hätte dessen jüngster Einsatz seine Macht verstärkt. Sie fühlte und begehrte ihn, so wie ein Dürstender eine Quelle.
Morgause befahl ihren Männern, der Herrin vom See kein Leid anzutun. Es war viel besser, dachte sie rach süchtig, ihre Mutter mit dem Wissen über ihren Verlust leben zu lassen, so wie sie selbst bislang ohne ihr Geburtsrecht leben musste. Sie anderen konnten sie ruhig töten, solange sie das gesamte Gepäck und die Ausrüstung mitnahmen.
Und so wartete sie, während ihre Männer im Wald verschwanden. Kurz nach Mittag hörte sie Frauen kreischen und nördliche Kriegsrufe, und sie lächelte.
»Mutter, es war nicht deine Schuld!« Artor ergriff Igraines Hände und rieb sie. »Wäre ich nicht so schwach gewesen, hätte der Kessel die Insel der Maiden nie verlassen.«
»Es war mein Ruf, der Euch hergebracht hat«, fügte Gwendivar in gleichem Selbstvorwurf hinzu.
»… aber meine Entscheidung, ihm zu folgen…«, presste Igraine mühsam hervor.
Sie zitterte immer noch so heftig wie seit dem Angriff. Die Männer ihrer Begleitgarde waren getötet worden, aber Ninive hatte sich eines der Pferde geschnappt und war zurück nach Camelot galoppiert, um Hilfe zu holen. Das war am Vormittag gewesen, mittlerweile war es bereits fast Abend. Der Kessel war verschwunden, und seit Uthers Tod hatte sie keine größere Katastrophe erlebt. Ceincair schlang Decken um sie und redete von Schock, doch Igraine wusste, dass es Angst war.
»Aber wer waren sie?«, fragte Aggarban.
»Männer mit Speeren, Schilden und Hemden aus gehärtetem Leder«, antwortete Nest. »Die einzigen Worte, die ich gehört habe, ertönten in einem Britisch, wie wir es im Norden sprechen, aber nicht auf Piktisch. Es könnten Brandschatzer gewesen sein, oder herrenlose Männer.«
»Ich dachte, die Soldaten des Königs hätten solches Gesindel zur Strecke gebracht«, meldete sich Gwendivar zu Wort.
Artors Augen blitzten gefährlich. »Das hatte ich auch gedacht…«
»Es spielt keine Rolle, wer sie sind – wir müssen hinter ihnen her!«, rief Gwalchmai aus. »Wenn es tatsächlich der Kessel war, der durch die Macht der Götter durch die Halle strahlte, gäbe ich mein Herzblut dafür, ihn wiederzusehen!«
»Ich ebenso!«, sprach Vortipor. Andere Stimmen schlossen sich dem Gelübde an.
Als die Priesterinnen nach jener Nacht des Sturms und des Glanzes in das Haus der Frauen zurückgekehrt waren, hatten sie den Kessel
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