Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
endlich den Weg zurück gefunden hatte, war es bereits vollkommen finster. Auf der Lichtung lag ein Toter, aber ich musste bis zum Morgen warten, bis ich meinen Herrn auffinden konnte. Er lag in seinem Blut, der Leichnam seines Gegners neben ihm. Ich habe seine Wunden so gut wie möglich verbunden, dann musste ich ein Gehöft und einen Karren finden, um ihn damit zu befördern. Es tut mir leid, Fürstin.« Mit kummervollem Blick sah er sie an. »Ich habe mein Bestes getan…«
»Ich bin sicher, das hast du«, erwiderte sie ermutigend, während sie mit einem Auge die greise Frau beobachtete, die als die Geschickteste im Behandeln von Wunden galt und die Aggarban gerade untersuchte.
»Als ich ihn fand, war er bewusstlos«, plapperte Edrit weiter, »und als ich mit dem Karren zurückkehrte, glühte er vor Fieber. Aber jetzt, wo wir hier sind, wird es ihm bald besser gehen. Ihr werdet ihn heilen, Fürstin, das weiß ich!«
»Wenn es Gottes Wille ist«, antwortete sie vorsichtig, doch er blickte sie an, als wäre sie die Göttin oder vielleicht auch nur die Tigernissa. Erst da begann Gwendivar zu begreifen, dass dies für einige ein und dasselbe war.
Mittlerweile hatte die Heilerin ihre Untersuchung beendet.
»Wird er sich wieder erholen?«, wollte Gwendivar wissen.
»Ich glaube schon, im Lauf der Zeit und durch sorgfältige Pflege«, erwiderte die Frau. »Den Blutverlust kann er wettmachen, und seine Wunden sind nicht allzu schlimm. Nur dieses Fieber gefällt mir ganz und gar nicht.«
Mehr konnte Gwendivar nicht tun, doch sie hatte Edrit versprochen, sie würde alles daransetzen, seinen Herrn zu retten. Drei Nächte lang wechselte sie sich mit den anderen Frauen ab, saß bei dem Verwundeten, kühlte seine Stirn und lauschte seinem Gemurmel, bis die Krise einsetzte.
Es war nach Mitternacht, und die Königin saß im Halbschlaf auf ihrem Stuhl, als ein Stöhnen sie weckte.
»Halt!« Aggarban sprach mit deutlicher Stimme, obwohl seine Augen geschlossen blieben. »Versucht erst gar nicht, es zu leugnen – ich erkenne Euch als einen Mann aus dem Norden. Ist meine Mutter in diese Angelegenheit verwickelt?« Stille trat ein, als würde ein Unsichtbarer antworten, dann ertönte abermals jenes grässliche Stöhnen. Als er weitersprach, klang seine Stimme sanfter und von Schmerz erfüllt.
»Ach, Mutter, du warst in dem Licht, das durch die Halle gewandert ist – und dann hast du uns verlassen. Sind dir deine Söhne einerlei? Aber das waren sie dir ja immer, abgesehen von jenem rothaarigen Balg. Dem vom König beim Feste empfangenen Bastard – oh, ich habe die Geschichten gehört. Kennst du den Namen irgendeines unserer Väter?« Die anklagenden Worte gingen in qualvolles Gemurmel über.
»Aggarban!« Die Königin wrang Wasser aus dem Tuch und legte es auf seine Stirn. »Es ist alles gut, es ist vorbei… du musst schlafen und gesund werden.«
Jäh schlug er die Augen auf, und er schien sie zu erkennen. »Königin Gwendivar… Ihr leuchtet wie der Mond… und seid auch Ihr treulos?«
Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen, doch seine Augen waren bereits wieder geschlossen. Er verstummte; nach einer Weile holte sie tief Luft, und als sie die Hand auf seine Stirn legte, fühlte sie sich kühl an. Da erhob sich Gwendivar und rief die Heilerin herbei, auf dass sie ihn untersuchte, während sie sich zu Bett begab und weinte, bis der Schlaf sie endlich erlöste.
Es war Sonnenuntergang, und der mittlerweile viertelvolle Mond hatte den Himmel halb erklommen. Für Morgause, die auf einer Taurolle neben dem Heckgeländer saß, sah er wie ein Kessel aus, in den alles Licht tröpfelte, während der Himmel sich von rosa über malvenfarben zu einem sanften Purpurblau verfärbte. Als sie wieder auf das Meer schaute, präsentierte die wogende Landschaft sich schillernd vor Farben; wenn die Wellen emporstiegen, brachen sie das Licht zu Blau- und Purpurtönen, wenn sie sanken, wandelte es sich in ein trübes Grau.
Das Schiff bäumte sich auf und tauchte ab, bahnte sich durch die Wogen den Weg zum abendlichen Ankerplatz. Es hieß Sirene, und im Verlauf der Woche an Bord hatte Morgause den täglichen Ablauf kennen gelernt. Außer bei ungewöhnlich gutem Wetter und stetem Wind legten sie jede Nacht in einer geschützten Bucht an, erwarben frisches Essen und Wasser und tauschten Neuigkeiten aus. An diesen abgeschiedenen Orten kursierten keine Gerüchte über die Suche nach dem Kessel, doch selbst hier hatten die Menschen
Weitere Kostenlose Bücher