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Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel

Titel: Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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bereute sie, dass sie Gwalchmai nach Gallien hatte ziehen lassen. Oder Theodoric nach Demetia geschickt hatte – obwohl die Angeln ohnehin nicht sonderlich von einem frisch in Britannien eingetroffenen Goten beeindruckt gewesen wären, ganz gleich, wie gut seine Seestreitkraft sein mochte. Und sie wagte es nicht, einen dumnonischen Fürsten zu senden, der wohl eher die Männer aus dem Norden ermutigen würde, Icel anzugreifen, als ihn verteidigen. Sie brauchte jemanden mit makellosem britischem Hintergrund, der mit den Sachsen umzugehen verstand.
    »Ich habe gehört«, sagte Medrod, als er eintrat, »mein Bruder Aggarban sei tot.«
    Gwendivar legte die Steuerlisten beiseite, die zu überprüfen sie vorgegeben hatte. »Das stimmt. Er starb an den Wunden, die er im Zuge der Schlacht erlitten hatte. Er ist den Tod eines Kriegers gestorben. Es tut mir leid.«
    Medrod zuckte mit den Schultern. »Er war ein paar Jahre älter als ich und verließ die Heimat, als ich erst fünf war. Ich habe ihn kaum gekannt.«
    Betretene Stille trat ein.
    »Setz dich doch«, forderte sie ihn schließlich auf und legte die Schriftrolle endgültig auf die Seite. »Die Nächte sind immer noch frostig. Ich bitte Flavia, uns Kamillentee zu bringen.«
    »Lasst mich sie rufen.« In Medrods Lächeln lag so etwas wie Nachsicht. Er deutete auf den mit Schriftrollen und Wachstafeln übersäten Tisch. »Ihr habt heute Abend bereits genug gearbeitet.« Damit erhob er sich und ging zur Tür.
    Gwendivar zeigte keine Regung. In den vergangenen sechs Jahren hatte sie gelernt, die kaum spürbare Anspannung zu erkennen, wenn jemand einen anderen unbemerkt zu beeinflussen suchte. Für einen so jungen Mann besaß Medrod darin ein ungewöhnliches Geschick, doch sie glaubte, dass sie aufgrund der fortwährenden Übung noch geschickter war als er.
    »Der Gote, Theodoric, hat Briefe mitgebracht vom König«, erklärte sie, nachdem Medrod sich wieder gesetzt hatte.
    »- meinem Vater«, vervollständigte er ihren Satz.
    Gwendivar zog eine Augenbraue hoch. So wollte er es also haben? »Der König – dein Vater – hat mir die Entscheidung überlassen, ob ich dich bei mir behalten oder anderswohin schicken soll.« Aufmerksam beobachtete sie Medrod, dennoch war sie sich nicht sicher, ob die Anspannung, die sie über sein Gesicht huschen sah, vom Flackern des Lampenscheins oder von Unbehagen herrührte.
    Doch sofern sie ihn erschüttert hatte, überspielte er es rasch; als er den Kopf hob, ruhte die Haut glatt wie eine Maske über den ausgeprägten, anmutigen Gesichtsknochen.
    »Da er sowohl seine Familie als auch sein Königreich aufgegeben hat, scheint es mir angebracht, dass sein Sohn, wie Britannien, in der Obhut seiner Königin bleibt…«
    »Sag lieber, er hat beides der Obhut einer Mutter überlassen…«, verbesserte sie ihn ungerührt.
    »Oh, bitte nicht!« Medrods Tonfall war zynisch, doch Gwendivar sah, dass sie ihn getroffen hatte. »Ihr vergesst, dass meine Mutter Morgause ist!«
    Gwendivar blinzelte. Ihr war nur allzu bewusst, wie sehr Morgause Artor geschadet hatte; nun fragte sie sich zum ersten Mal, wie sehr sie die Seele ihres Sohnes versehrt haben mochte. Ich will die gute Mutter sein, die Medrod nie hatte, dachte sie und unterdrückte den aufwallenden Groll darüber, dass Artor ihr nie gestattet hatte, ihm die Gemahlin zu sein, die sie ihm hätte sein sollen.
    Medrod beobachtete sie immer noch, und Gwendivar bedachte ihn mit einem sanften Lächeln. »Hat dich deine Mutter denn gegen alle Frauen aufgebracht?«
    Er schüttelte den Kopf. Der Schein der Lampe sandte flackerndes Licht über das leicht gewellte, rotbraune Haar. Die grauen Augen, die so sehr an jene Artors erinnerten, suchten die ihren. Doch als sie seinem Blick begegnete, stellte sie fest, dass der Ausdruck darin ganz und gar nicht jenem Artors glich.
    »Und hat mein Vater Euch gegen alle Männer aufgebracht, indem er Euch so viele Jahre in einem leeren Bett zurückließ?«
    Gwendivar erstarrte. Medrods Stimme erklang ausgesprochen leise, seine Augen lagen unter den langen Wimpern verborgen, sodass sie nicht zu sagen vermochte, ob darin Mitgefühl oder Spott lag.
    »Das ist keine Frage, die zu stellen dir zusteht!«
    »Wem dann?« Er richtete sich auf, und nun war sie es, die den Blick nicht abwenden konnte. »Wer hat mehr Recht zu fragen, was sich in König Artors Bett abspielt als Ihr oder ich? Wir haben eine einzigartige Beziehung«, bemerkte er verbittert. »Ihr wart es, Fürstin, die

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