Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel
Waffen auf einen Haufen geschüttet waren – stand am Brunnen beisammen und funkelte den Kreis der anglischen Speerkämpfer an, die jeden gefangen hatten, der zu fliehen versuchte. Zwei von Creodas Männern waren getötet worden, mehrere verwundet; ein Brite hatte sich das Bein gebrochen, als er vom Pferd gezerrt worden war. Medrod selbst hingegen hatte keinen Kratzer abbekommen, während drei der Gefallenen durch seine Hand gestorben waren.
Da er im übermächtigen Schatten seiner Brüder aufgewachsen war, hatte er bisweilen gefürchtet, nie ein wahrer Krieger zu werden. Doch Cynric hatte ihn gut ausgebildet. Obwohl er weder Goriats Größe noch Aggarbans imposante Muskeln besaß, hatte er gelernt, die Behändigkeit seiner hageren Gestalt bestmöglich einzusetzen.
Ein wildes Grinsen lag auf seinem Gesicht, während er die Gefangenen musterte.
»Ist einer von euch der römischen Sprache mächtig?«, fragte er.
Ein junger Mann mit so hellem Haar, dass es in der Frühlingssonne nachgerade weiß wirkte, richtete sich auf. Durch den goldenen Armreif, den er trug, hatte Medrod bereits vermutet, dass er der Anführer war.
»Appeto Galliam – « , erklärte er in gebrochenem Latein, wobei er ein Verb verwendete, das entweder für ›an einen Ort reisen‹ oder für ›einen Ort angreifen‹ stand, um anzudeuten, dass er in Gallien gewesen war.
»Das glaube ich gern!«, murmelte einer der Briten.
»Mercator – « , fuhr der Nordmann fort. Als Händler. »Das wiederum glaube ich nie und nimmer!«
»Gippus, filius Gauthagasti reguli«, verkündete der Gefangene und klopfte sich auf die Brust. Gipp, Sohn des Gauthgast…
»Medrautus Artorii filius« , erwiderte Medrod und deutete auf die eigene Brust, wobei er dem sich erhebenden Gemurmel seiner Männer keinerlei Beachtung schenkte. »Also haben wir einen Königssohn, für den wir Lösegeld fordern können«, fügte er auf Sächsisch hinzu.
»Nur einen Zweitgeborenen«, gab Gipp in derselben Sprache zu bedenken. »Viel werdet Ihr für mich nicht bekommen.«
»Oh, etwas werde ich schon kriegen.« Genüsslich lächelte Medrod ihn an. »Wo sind die anderen?«
»Der Rest von euch, du Schwein!«, knurrte Creoda, als der Gefangene nicht antwortete.
»Die sind inzwischen voll beladen verschwunden.« Der Nordmann grinste. »Sie haben uns vor sechs Tagen verlassen, wir aber waren noch hungrig.«
»Diesmal habt ihr mehr abgebissen, als ihr kauen könnt«, sagte Creoda, doch er empfand die Neuigkeit eindeutig als Erleichterung.
Medrod nickte. »Wer sind eure besten Seeleute? Sie sollen euer Schiff mit einer Botschaft an euer Volk zurück in den Norden steuern. Der Rest von euch kommt mit uns nach Camulodunum. Creoda, stellst du eine Wachschicht zusammen?«
»Mit Freuden! Und schick eine Nachricht an meinen Vater.« Er bedachte Medrod mit einem anerkennenden Lächeln. »Du kämpfst wie einer von uns, Sohn des Bären. Wir haben heute gute Arbeit geleistet!«
Gemächlich zogen die Briten und ihre anglischen Verbündeten gen Süden, denn einige der Nordmänner waren verwundet und kamen nur langsam voran. Dafür hatte das Wetter aufgeklart, und die Straßen trockneten allmählich. Nachdem all ihre Feinde getötet, gefangen worden oder abgezogen waren, konnten sie sich ein wenig Entspannung leisten.
In dem Wissen, dass der nächste Tagesmarsch sie nach Camulodunum führen würde, ergriff Medrod am dritten Abend einen Bierschlauch und setzte sich neben seinen Gefangenen.
»Morgen erreichen wir Camulodunum«, erklärte er und bot ihm das Bier an.
»Eine römische Stadt – wer lebt dort jetzt?«, erwiderte Gipp im selben Tonfall. Sofern er um seine Zukunft fürchtete, verstand er es vortrefflich, dies zu verbergen.
»Angeln. Die Stadt war im Verfall begriffen. Icel hat einen seiner Häuptlinge dorthin geschickt, um den Ort gemäß den Bedingungen seines Paktes mit König Artor zu halten.«
Gipp zog eine Augenbraue hoch. »Ich dachte, die Angeln hätten dieses Land erobert.« Er trank einen Schluck, dann reichte er den Bierschlauch zurück.
»Wieso reite ich dann mit ihnen?«, entgegnete Medrod. »Artor hat Icels Armee vor zwanzig Jahren besiegt. Doch zu der Zeit waren alle Briten geflohen, und es gab niemanden mehr, um das Land zu bestellen. Deshalb nahm Artor die Angeln in sein Königreich auf, um es vor Beutefahrern zu beschützen.«
»Beutefahrern wie mir…«, gab Gipp grinsend zurück. »Gelingt ihnen wohl nicht so recht, was?«
»Sie haben überwiegend die
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