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Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel

Titel: Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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Herrschaft erhebe. Mir liegen diese Menschen am Herzen, und ich glaube, viele von ihnen bringen mir mittlerweile Liebe und Treue entgegen. Dennoch ist dies nicht mein Land. Letzten Sommer führten mich meine Reisen tief ins Innere Galliens, und ich stieß auf eine Stadt namens Aballo, was in unserer Sprache so viel wie Avalon bedeutet, der Ort der Äpfel. Ich schloss die Augen und sah das Tal und den Tor so deutlich vor mir, dass ich vor Verlangen, dort zu sein, beinahe weinte. Und auch du warst dort und standest unter den Apfelbäumen.«
    An der Stelle wies die Schrift eine Unterbrechung auf, als wäre der König abgelenkt worden oder zu tief bewegt gewesen, um fortzufahren. Gwendivar spürte, wie in ihren eigenen Augen unvergossene Tränen brannten und schüttelte den Kopf. Wie kannst du derlei Dinge schreiben, dachte sie wütend, und nicht zu mir nach Hause zurückkehren? Dann wischte sie sich über die Augen und griff wieder nach der Schriftrolle.
    »Du musst Medrod vom Tod seines Bruders berichten. Was ich über den Jungen selbst sagen soll, weiß ich nicht. Ich habe ihn schon während der Zeit, die er bei mir war, nicht verstanden, und ich wage nicht, mir auszumalen, was neun Jahre bei den Sachsen aus ihm gemacht haben. Ich kann nur darauf vertrauen, dass die Mächte, die Britannien beschützen, mit seiner Geburt etwas im Sinn hatten.«
    Wieder folgte ein Absatz. Danach war die Schrift kleiner und genauer geführt, als hätte Artor sich um seine ganze Selbstbeherrschung bemüht.
    »Dir, meine Königin, widerfährt durch sein Dasein das größte Unrecht. Behältst du ihn auf Grund deiner Güte bei dir, so bin ich dafür dankbar; erscheint es dir jedoch besser, ihn fortzuschicken, so tu es. Ich lege sein Schicksal in deine Hände.«
    Ein Klecks prangte auf der Seite, als hätte er zu schreiben begonnen »Ich wünschte…« und es dann durchgestrichen. Danach folgten nur die geschwungenen Buchstaben seines Namens.
    »Ich wünschte!«, wiederholte Gwendivar laut, starrte auf den Bogen und fragte sich, ob die Worte Vertrauen oder Verzweiflung entsprangen. Sollte sie sich geehrt fühlen oder wütend sein? Wie dem auch sein mochte, Medrod war nun ihr Problem. Sie würde wohl einen weiteren Versuch unternehmen müssen, mit ihm zu reden.
    Artor, Artor, du bist schon zu lange fort. Was muss geschehen, um dich wieder nach Hause zu bringen? Mit diesem Gedanken rollte sie das Pergament zusammen und schob es zurück in die Hülle.
     
    Gwendivar hatte vorgehabt, sich an jenem Abend mit Medrod zu unterhalten, doch just als sie sich zum Mahl setzten, traf ein Bote ein. Er kam von König Icel und berichtete von einem Angriff auf Anglia durch Beutefahrer aus jenem Land im Norden, das die Iren Lochlann, die Römer Scandia nannten. Sie hatten sich einen Weg durch die Untiefen der Metaris-Mündung gebahnt, waren südwärts durch die Sumpfländer weiter vorgedrungen, hatten Gehöfte niedergebrannt und Vieh, Güter und Menschen geraubt. Icel bat zwar nicht ausdrücklich um Hilfe – schließlich hatte man ihm jenes Gebiet unter der Bedingung überlassen, dass er es selbst verteidigte –, dennoch war unmissverständlich, dass er Unterstützung durchaus willkommen heißen würde.
    »Andernfalls hätte er schlicht von seinem Sieg berichtet«, meinte Gai. »Wir müssen eine Streitkraft schicken – genug Männer, um ihnen zu zeigen, dass wir sie nicht aufgegeben haben. Ich kann eine Truppe aus meinem Land zusammenstellen, und vielleicht werden die Dumnonier – «
    »Sie schicken keine Männer, um Sachsen Beistand zu leisten, wie du sehr wohl weißt!«, fiel Gwendivar ihm ins Wort. »Und du wirst sie nicht anführen, woher sie auch stammen. Ich brauche dich hier!«
    Was zwar nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber Gai musste ebenso gut wie sie wissen, dass sein Zustand keinen Feldzug erlaubte. Er begehrte in keiner Weise gegen ihre Entscheidung auf, was sie beunruhigte. Im vergangenen Jahr war er zunehmend kurzatmiger geworden, und die ständige Röte seiner Wangen zeugte keineswegs von Gesundheit. Gai weigerte sich, mit ihr oder Merlin über seine Verfassung zu reden. Alles, was sie tun konnte, war, ihn davon abzuhalten, sich noch mehr zu verausgaben.
    »Der Bote braucht ohnehin ein, zwei Tage, um sich zu erholen. Inzwischen überlege ich mir, was wir tun können.«
     
    Die Königin zerbrach sich immer noch den Kopf über die problematischen Fragen an diesem Abend, als Medrod an die Tür des Verwaltungshauses klopfte.
    Zum ersten Mal

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