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Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel

Titel: Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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verzerrten Gesichter zu blicken, war an jenem Tag geboren worden, als ihr jüngster Sohn, ihren Namen verfluchend, von der Insel der Maiden aufgebrochen war.
    Als sie Medrod schließlich entdeckte, neigte sich der längste aller Tage dem Ende zu. Bediver hatte gesagt, sein Leichnam hätte neben dem König gelegen, doch nachdem Artor geborgen worden war, mussten ihn die Männer, die dem König in Gallien gedient hatten, woanders hingebracht haben. Nun sah Morgause, dass er nicht nur an einen anderen Ort gebracht, sondern auch in nachträglicher Rache zerhackt und entstellt worden war, sodass sie ohne Bedivers Beschreibung nicht erkannt hätte, welche Wunde ihm das Sarmatenschwert zugefügt hatte.
    Morgause holte Wasser vom Fluss und badete den Körper, wie sie einst ihr Kind gebadet hatte. Man hatte Medrod sowohl entkleidet als auch verstümmelt, dennoch sah sie, dass ihr Sohn zu einem prächtigen Mann herangewachsen war – mit einem schönen Körper, wenn schon mit keiner schönen Seele. Vom Blut gereinigt, prangte auf seinem Antlitz ein vertrautes, höhnisches Lächeln.
    »Und wessen Schuld war das?«, murmelte sie, als sie ihn mit ihrem Schleier bedeckte. »Du warst ohne Zweifel meine erfolgreichste Schöpfung, eine sorgfältig geschmiedete und gezielte Waffe, die letztlich zugestoßen hat.« Auch sie hatte er bis tief ins Herz verletzt.
    »Ist das allein mein Werk?« Morgause blickte sich um, trotz der Wärme der Sonne. »Ach Medrod, selbst jetzt kann ich dich nicht hassen, ohne auch mich selbst zu hassen!«
    Auf der Insel der Maiden war sie stets zu beschäftigt gewesen, um über die Vergangenheit nachzugrübeln; nun wurde sie von ihr überwältigt. Hätte sie eine Klinge zur Hand gehabt, hätte sie in jenem Augenblick womöglich ihr eigenes Urteil gegen sich selbst vollstreckt, doch die Waffen der Gefallenen waren bereits eingesammelt worden.
    In der Nähe landete mit flatternden Schwingen ein Rabe, dessen Schnabel sich zu einem Krächzen öffnete; binnen weniger Sekunden folgten ihm zwei weitere.
    »Ihr werdet ihn nicht bekommen!«, rief Morgause aus, und in den Schreien der Raben hörte sie eine Antwort.
    »Ich werde sie alle bekommen… aus meinem blutigen Leib werden sie geboren, und voll Blut kehren sie zu mir zurück. Weine, meine Tochter, weine für alle gemetzelten Söhne und alle Mütter, die sie betrauern – weine mit mir!«
    Ringsum war das Wehklagen der Raben zu hören, doch der Schrei, der aus ihrem Bauch in die Brust aufstieg und durch die Kehle drang, ertönte wesentlich lauter – ein kummervolles Geheul, das von der Böschung widerhallte. Als die Menschen es vernahmen, schlugen sie das Kreuz vor der Brust oder formten mit den Fingern das Zeichen des Horns und blickten über die Schultern.
    Morgause aber fühlte sich nach jenem Schrei erleichtert und empfand die Last ihres Kummers als weniger beschwerlich, da sie wusste, dass die Natur mit ihr trauerte.
    Bald darauf hörte sie das Knarren von Rädern, als Männer mit dem Karren kamen, um die Leichen für den Scheiterhaufen einzusammeln.
    »Behandelt ihn ehrenvoll«, befahl Morgause mit belegter Stimme, als sie sich bückten, um Medrods Leichnam aufzuheben, »denn er entstammte dem Blut der Könige Britanniens.«
    »Herrin, kehrt Ihr in die Feste zurück?«, wollte der Truppenführer wissen. »Es heißt, der König sei erwacht und habe schlimme Schmerzen.«
    Der König…, dachte sie wie betäubt. Artor brauchte sie noch. Sie würde weiterleben müssen, wenigstens eine Weile.
     
    »Lebt er noch?« Gwendivar glitt vom Pferd und taumelte, als ihre Muskeln sich nach dem langen Ritt verkrampften. Fackellicht jagte verzerrte Schatten über den Hof der Festung. Es war bereits nach Mitternacht, doch sie hatte darauf bestanden, ohne Pause durchzureiten, um Artor so schnell wie möglich zu erreichen.
    »Der König lebt«, antwortete Bediver, »aber – «
    Hastig stolperte sie an ihm vorbei und erklomm die Stufen des Praetoriums, wo das Dach grob mit Ried instand gesetzt worden war. Eine Öllampe warf unstetes Licht auf den schlafenden Mann und die Frau, die an seiner Seite saß. Als sie Gwendivars Schritte hörte, erhob sie sich, und die Königin versteifte sich, da sie in dem verhärmten Gesicht ein Abbild von Medrods Zügen erkannte.
    Jäh wich Morgause zurück, als hätte sie jenen Augenblick des Erschreckens wahrgenommen. »Gewiss wollt Ihr bei ihm bleiben. Vorerst kann ich nichts mehr für ihn tun.« Damit verließ Morgause durch raschelnde

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