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Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel

Titel: Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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hastete hinter ihr her, doch Morgause antwortete nicht.
     
    Wo sich einst eine Klippe befunden hatte, stand Ninive weinend vor einem Haufen aus Erde und Geröll. Schlehdorn, Esche und Eiche waren unter dem Erdrutsch verschwunden, und mit ihnen jede Spur des Druiden, der sich ihrer Hilfe bedient hatte, um seinen letzten und größten Zauber zu wirken. Der kleine Bach aber plätscherte immer noch unter dem Geröll und sang zu den Steinen.
    Merlin hatte vollbracht, was er beabsichtigt hatte, aber hatte er den König gerettet? Sie wusste nur, dass das Gefüge der Wirklichkeit einen gewaltigen Riss erfahren hatte. Was würde Merlin nun von ihr erwarten? Ninive trocknete ihre Tränen und verharrte lauschend, und sie vermeinte im Flüstern des Windes, im Gurgeln des Baches seine Stimme zu hören.
    Sie hob den Beutel auf, in dem sie ihr Essen getragen hatte und machte sich auf, dem Verlauf des Baches gen Süden zum Wall zu folgen.
     
    Langsam kehrte das Bewusstsein zurück. Ganz vorsichtig holte Artor Luft und fragte sich, wie lange er bereits dagelegen hatte, denn sein Körper hatte schon begonnen, Wege und Mittel zu ersinnen, den Schmerz im Zaum zu halten. Er spürte die Wunde nur noch als dumpfes Pochen im Unterbauch, obwohl sein Fleisch die Erinnerung an die grässlichen Qualen durchaus wach hielt.
    In der Nähe unterhielten sich mit leisen Stimmen Menschen – einige mussten also überlebt haben. Und er musste schon vorher, im Fieberwahn, aufgewacht sein, denn er hatte vermeint, Morgause und Bediver wären da. Der König schlug die Augen auf und blinzelte, erkannte ein Kettenhemd und dunkles, gelocktes Haar.
    »Herr! Ihr seid wieder bei uns!« Bediver wirbelte herum und kniete sich neben ihn, die fein geschnittenen Züge bronzen vom langen Feldzug, zerfurcht vor Anspannung.
    »So wie du«, antwortete Artor. »Alter Freund, was machst du hier?« Er musste eine ganze Weile bewusstlos gewesen sein, dachte er, denn seine Wunde war verbunden worden, und er lag in einem behelfsmäßig instand gesetzten Gebäude innerhalb der Feste.
    »Wir hatten nichts mehr von Euch gehört«, erwiderte Bediver hilflos. »Ich dachte, Ihr könntet mich vielleicht brauchen. Ich kam, so schnell ich konnte – lieber Gott, wäre ich doch nur rechtzeitig hier gewesen!«
    »Das bist du.« Die Augen des Königs wanderten durch den Raum, erblickten nur Bedivers Männer. »Wir haben gewonnen…«
    »Das Feld war bereits Euer, als ich hier eintraf«, erklärte Bediver. »Meine Leute haben es durchkämmt und nach Überlebenden gesucht. Ein paar der Aufständischen sind entwischt. Vortipor ist am Leben, wenngleich verwundet, außerdem ein paar andere – bedauernswert wenige.«
    Artor stieß einen langen Seufzer aus und zuckte zusammen, als sein Bauch wieder zu schmerzen begann. »Ich sah Goriat fallen…«, sagte er.
    Bediver nickte. »Morgause hat sich aufgemacht, um nach ihm zu suchen. Wir waren dankbar, jemanden hier zu haben, der so viel von Heilkunst versteht«, fügte er mit zögerlicher Anerkennung hinzu. »Sie war es, die Eure Wunden verbunden hat.«
    »Meine arme Schwester. Sie hat all ihre Söhne verloren…«, murmelte Artor. So wie ich, dachte er, und die Welle des Kummers, die dem Gedanken folgte, riss ihn abermals in die Finsternis.
    Einst, als Kind, hatte man ihr die Geschichte von Niobe erzählte, die allzu lauthals mit ihren Kindern geprahlt hatte und dann mit ansehen musste, wie die Götter sie ihr wegnahmen. Nun, dachte Morgause, während sie das Feld von Camboglanna absuchte, weinte sie Niobes Tränen.
    Wie Spreu lagen die Toten auf dem frisch abgeernteten Feld verstreut; Raben staksten zwischen ihnen umher, pickten sich ihren Anteil an der grässlichen Ernte heraus. Selgovae und Sachsen lagen ausgestreckt nebeneinander, Dumnonier und Demetier, Krieger aus jedem Winkel Britanniens. Im Tod gab es keinen Unterschied zwischen Medrods Aufständischen und den Männern, die Artor treu geblieben waren. Dies war nicht mit den Sachsenkriegen zu vergleichen, bei denen Briten gegen Eindringlinge von jenseits des Meeres gekämpft hatten. Bei einem Konflikt wie diesem konnte es keinen Gewinner geben, ganz gleich, welche Seite den Sieg für sich beanspruchte.
    Goriat hatte sie bald gefunden. Die Trauer um ihn vermischte sich mit der Trauer um Aggarban, Gwyhir und Gwalchmai, doch in gewisser Weise hatte sie die drei schon vor langer Zeit verloren. Der Kummer, der sie von einem Leichnam zum nächsten trieb, jeden umdrehen ließ, um suchend in die

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