Brixton Hill: Roman (German Edition)
Mails liest?«
»Könnte doch sein.«
»Daher wusste er, dass du heute bei Kimmy sein würdest, und deshalb hat er das alles veranstaltet, um dir zu schaden?«
Sie hob die Schultern.
»Ich bin nicht sehr davon überzeugt«, sagte Eric.
Em ließ sich zurück in die Sofakissen sinken. »Wer weiß denn schon, was in so einem vor sich geht. Ich meine, es ist wochenlang kein Tag vergangen, an dem er mich nicht mit Nachrichten bombardiert hätte. Und jetzt so eine krasse Aktion, für die man wissen muss, wie man sich in irgendwelche computergesteuerten Systeme hackt. Das kann doch nur …«
Erics Telefon klingelte. Er warf einen Blick auf das Display, wies den Anrufer ab. Sie sah ihm an, dass er lieber drangegangen wäre. Sie sah ihm auch an, dass er etwas vor ihr verheimlichte. Das ganze Gerede, Zwillinge seien sich so nah und wüssten alles über den anderen – völliger Unsinn. Natürlich war der andere Zwilling der Mensch, den man am längsten im Leben kannte. Aber irgendwann trennten sich die Wege, emotional, räumlich, wie auch immer, und nein, Gedankenlesen oder Gefühle erspüren, das gab es nicht, jedenfalls nicht zwischen ihnen. Em hatte nicht die leiseste Ahnung, wer ihren Zwillingsbruder so spät am Abend auf dem Handy anrief.
Er tippte rasch eine SMS. Dann nahm er den Faden wieder auf. »Ich glaube, dass diese ganze Sache weder etwas mit dir noch mit deiner Freundin zu tun hat. Warten wir ab, was die Kriminaltechnik sagt, aber meinem Gefühl nach hat es nur durch Zufall dich erwischt.«
»Und Kimmy ist auch nur ein Kollateralschaden? Wie beruhigend. Dann ist es ja nicht so schlimm, dass sie tot ist.« Sie schmetterte ihr Weinglas auf den Boden. Es zerschellte auf dem Parkett, das noch so jungfräulich wirkte wie an dem Tag, als sie hier eingezogen waren. Nur wenige Wochen nach Fertigstellung des Hochhauses. Die kleinen Scherben flogen bis zur Küchenzeile am anderen Ende des großzügigen Raums.
Eric rührte sich nicht. Er wartete ab. Irgendetwas war anders an ihm, und es fiel Em erst jetzt auf. Lag es an dem Anruf, den er nicht angenommen hatte? Hatte er wegen ihr eine Verabredung absagen müssen und war jetzt sauer?
Em legte den Kopf in den Nacken und rieb sich mit beiden Händen die Schläfen. »Scheiße«, sagte sie.
»Besser?«
»Nein.«
»Du könntest es mit Weinen versuchen. Ich habe gehört, das hilft. Jedenfalls den meisten Leuten.«
Sie warf den Kopf nach vorne und starrte ihn böse an. »Kann es sein, dass du heute scheiß zynisch bist?«
»Ich bin nicht zynisch.«
»Dann nur selbstgerecht und aufgeblasen? Was hab ich dir getan?«
Er stand vom Sessel auf, ging zum Besenschrank und nahm Handfeger und Kehrschaufel heraus. Als er die Scherben beseitigt hatte, richtete er sich auf und sagte ruhig: »Du hast vor einem Jahr gefragt, ob du für eine Weile mit mir zusammen hier wohnen kannst, und ich habe Ja gesagt. Eine Weile. Ich dachte, du meintest ein paar Wochen. Aber jetzt bist du immer noch hier. Warum triffst du in deinem Privatleben keine Entscheidungen? Du kriegst beruflich doch auch alles hin. Wovor hast du Angst?«
Der krasse Themenwechsel überraschte Em. Sie suchte nach einer Erwiderung und schaffte nur ein lahmes: »Ich bin viel unterwegs. Ich bin irgendwie noch nicht dazu gekommen.«
»Such dir eine eigene Wohnung. Ich will das nicht mehr.«
Sie schüttelte den Kopf. »Was ist los, Eric? Hab ich irgendwas falsch gemacht? Ich meine, warum kommst du jetzt damit?«
Eric kippte die Scherben in den Mülleimer. Dann verstaute er Kehrschaufel und Besen und stellte sich neben den Sessel, in dem er vorhin gesessen hatte. »Ich komme bei dir nicht mehr mit. Ständig ist irgendein Drama. Mit irgendeinem Mann oder wegen deines Jobs oder …«
»Eine Freundin ist heute gestorben . Vor meinen Augen.« Em trat gegen den Couchtisch.
»Ja. Genau. Und was tust du? Du weinst nicht mal. Die höchste Gefühlsregung ist, dass du Scherben machst und …«
»Hast du Angst um deinen Parkettboden?«
»Du machst ein paar Scherben und ein bisschen Lärm, aber warum tust du immer so … ungerührt? Zu cool, um zu trauern? Ist Aggression das Einzige, was du noch rauslassen kannst?«
Sie schnappte nach Luft. »Du weißt genau, dass ich …«
Eric fiel ihr ins Wort. »Wir sind jetzt dreiunddreißig. Langsam muss man gewisse Dinge auch mal hinter sich lassen.«
»Ach ja? Eben hast du noch gesagt …«
Aber er hatte sich längst umgedreht und war in sein Schlafzimmer gegangen. Mit dem dumpfen
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