Broadway-Grusical
wirkenden Ausdruck. Hinzu kam der verzogene Mund und die doch ein wenig verschobenen Proportionen, denn der Kopf hatte an Breite zugenommen. Seinen richtigen Namen hatte keiner aus der Truppe so recht gewusst. Nur den Spitznamen. Sie nannten ihn Dancer, weil er immer tanzte und sich selbst auf der Straße so bewegte. Dancer hatte zu den ausgeflipptesten Typen unter ihnen gehört, und als er jetzt aufstand, hatte er nichts von seiner geschmeidigen Bewegungsfähigkeit verloren. Von der Größe her reichte er kaum bis an den Handlauf des Geländers, eine an sich lächerliche Figur, aber das Mädchen hütete sich, Dancer zu unterschätzen.
Er kam auf sie zu. Seine langen Arme pendelten rechts und links. Die Haut war unnatürlich hell, die Augen wirkten wie kalte Glasperlen. »Hallo…«, sagte er.
Liz Vacarro erschrak. Selbst seine Stimme war die gleiche geblieben. So etwas konnte sie nicht fassen.
»Ich freue mich, dich zu sehen, Liz.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Du nicht?« Die Frage klang aggressiv.
Liz wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie breitete die Arme aus und flüsterte: »So war das nicht gemeint, glaub mir. Ich… ich bin nur durcheinander.«
»Das kann ich mir denken. Aber du solltest anfangen, uns zu akzeptieren, Mädchen.« Sie nickte.
»Es ist nämlich so«, fuhr Dancer fort und ging noch eine Stufe tiefer.
»Wir sind zu einer großen Macht geworden, die das Theater unter Kontrolle hält. Nichts mehr kann uns aufhalten, auch andere nicht, die es hin und wieder versuchen. Wir sind die eigentlichen Herren, denn wir kontrollieren, was hier geschieht, und wir übernehmen auch den Schutz einiger Kollegen und Kolleginnen.«
Auf der drittletzten Stufe blieb er stehen. Der Zwerg erreichte jetzt ungefähr die Größe des Mädchens, so dass sich beide in die Augen schauen konnten.
»Ich habe das Gefühl, als würdest du mir nicht glauben, was den Schutz angeht…«
»Das… das weiß ich nicht.«
Dancer nickte. »Du solltest uns aber glauben. Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns. Einige haben es versucht. Wir haben sie getötet, zuletzt den Nachtwächter. Er wurde neugierig, denn er wollte unser Geheimnis ergründen. Aber das lassen wir nicht zu. Du stehst unter unserem Schutz, er hat gesagt, dass wir dir nichts antun sollen. Weißt du, wer er ist?«
»Nein.«
»Gary Giesen, auch Dr. Horror genannt. Ihn bezeichnen wir als unseren Führer. Seine Kraft macht uns fast unbesiegbar. Seine Magie füllt den Schädel, der nur äußerlich ein Requisit ist, aber in seinem Innern eine ganz andere Welt verkörpert, die nur dann sichtbar wird, wenn er es will. Kannst du mir folgen?«
»Noch nicht…«
»Dann werde ich dich aufklären. Er kommt aus einer anderen Welt. Er kennt die Geheimnisse eines Zwischenreiches, und er hat sich Menschen ausgesucht, damit sie an seiner Seite stehen und für ihn kämpfen. Wir gingen in den Schädel, erlebten die Verwandlung und kamen zurück. Es war und ist ein wunderbares Gefühl, aber wehe dem, der sich uns in den Weg stellt. Merke dir das gut!«
Liz Vacarro hatte zwar nicht viel begriffen, immerhin wusste sie, dass sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr schwebte, deshalb traute sie sich auch, eine Frage zu stellen.
»Weshalb soll ich verschont werden? Warum beschützt ihr mich, wie ihr es schon vor einem Jahr getan habt?«
»Weil er dich mag!«
»Dr. Horror?«
Der Zwerg nickte. Als er seinen Kopf vor und zurück bewegte, sah es aus, als würde der Schädel pendeln. »Ja, er mag dich sehr. Für ihn bist du so etwas wie eine Braut.«
Aber ich will ihn nicht! Diesen einen Satz wagte sie nicht auszusprechen. Sie schrie ihn in Gedanken, denn dieser Gary Giesen war ihr unsympathisch. Nicht nur während er auftrat, auch privat.
»Wann will er mich denn sehen? Oder was hat er mit mir vor?« fragte die Tänzerin.
»Das weiß niemand!« räumte der Zwerg ein. »Seine Gedanken und Pläne sind für uns nicht einsehbar.«
»Tatsächlich?«
»Ja, meine Kleine. Aber mache dich darauf gefasst, dass er dich holen wird.«
»Schickt er mich auch in den Schädel?«
Dancer begann zu lachen. »Du kennst den Totenkopf doch. Bist oft genug hineingegangen. Und bedenke eines, Kleine, wir beobachten dich. Den ganzen Tag über. Wir wollen nicht, dass du etwas Falsches tust. Wenn doch, wird dir auch Dr. Horror nicht mehr helfen können.«
Auf einmal brannten Fragen auf ihren Lippen, aber sie konnte sie nicht stellen, denn der Zwerg zog sich zurück. Er drehte sich dabei
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