Brockmann Suzanne
Colleen schloss die Augen, den Kopf an seine Brust gelehnt, die Haut immer noch feucht.
Bobby lag nackt in Colleens Bett. Er hatte sie fest an sich gezogen, atmete ihren süßen Duft ein und versuchte, sich verzweifelt gegen die raue Wirklichkeit zu wehren, die von allen Seiten auf ihn eindrang.
Er hatte gerade Colleen Skelly geliebt.
Halt, nein! Er hatte gerade mit Colleen Skelly geschlafen. Er hatte es mit der kleinen Schwester seines besten Freundes getrieben. Hatte sie flachgelegt. Sie gevögelt. So jedenfalls würde es Wes sehen. Mit Umschreibungen wie lieben würde er sich nicht aufhalten.
In der Nacht zuvor hatte er Telefonsex mit Colleen gehabt, und jetzt richtigen Sex.
Sie wollte nur eine Nacht. Nur ein einziges Mal. Nur, um herauszufinden, wie es mit ihm sein würde.
Würde sie dabei bleiben? Am nächsten Morgen mit ihm frühstücken, seine Hand schütteln, ihm für die wundervolle Nacht danken und ihn dann fortschicken?
Bobby war sich nicht sicher, ob er das hoffen oder fürchten sollte. Er wollte schon viel zu viel. Er wollte … Nein, er konnte es nicht einmal denken.
Wenn sie sich wirklich nur ein Mal liebten, würde Wes vielleicht verstehen, dass die Anziehungskraft zwischen ihnen beiden so gewaltig war – viel stärker als sie beide. Dass sie sich nicht hatten wehren können. Bobby drehte und wendete diesen Gedanken, versuchte, sich vorzustellen, wie Wes ruhig und gelassen akzeptierte und verstand, was geschehen war …
Nein.
Wes würde ihn umbringen. Daran gab es nicht den geringsten Zweifel.
Trotzdem lächelte Bobby und ließ seine Hand über Colleens unglaublichen Körper gleiten. Sie drehte ihm den Rücken zu und schmiegte sich an ihn. Er legte seinen gesunden Arm um sie und umfasste ihre Brüste.
Ja, Wes würde ihn umbringen.
Aber vorher würde Bobby die anderen darum bitten, vier Worte in seinen Grabstein meißeln zu lassen: Das war es wert.
12. KAPITEL
A ls Colleen aufwachte, lag sie allein in ihrem Bett.
Es begann gerade zu dämmern, und im ersten Augenblick glaubte sie, geträumt zu haben. Alles. Wirklich alles, was am Tag und in der Nacht zuvor geschehen war, schien einer Mischung aus Albtraum und überschäumender Fantasie entsprungen zu sein.
Aber Bobbys T-Shirt und seine Boxershorts lagen noch auf dem Fußboden. Wenn er ihre Wohnung nicht nur in Shorts verlassen hatte, konnte er nicht weit sein.
Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee stieg ihr in die Nase, und sie erhob sich von ihrem Bett.
Muskeln, von denen sie nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab, protestierten. Ein Beweis mehr, dass die Ereignisse der letzten Nacht nicht nur ein Traum waren. Der Schmerz tat gut. Dazu durchflutete sie Wärme, als sie sich daran erinnerte, was Bobby ihr zugeflüstert hatte, als er … als sie beide …
Wer hätte je gedacht, dass ein so schweigsamer Mann sich so wortgewandt ausdrücken konnte?
Aber noch vielsagender als seine Worte war sein Gesicht. Er hatte nicht versucht, seine tief empfundenen Gefühle und das pure Vergnügen zu verbergen, das ihn erfüllte, als sie sich liebten.
Sie hatten sich geliebt.
Entgegen ihrer Erwartung ließ dieser Gedanke sie nicht vor Freude singen und lachen.
Oh ja, es war toll gewesen! Mit Bobby zu schlafen war viel wundervoller gewesen, als sie es je zu träumen gewagt hätte – viel besonderer, viel erschütternder, als sie es sich vorgestellt hatte. Aber es half ihr nicht einmal ansatzweise über den Tod der Kinder hinweg. Nichts konnte ihr darüber hinweghelfen.
Sie zog sich ihren Morgenmantel an, setzte sich auf die Bettkante und sammelte Kraft. Am liebsten hätte sie das Zimmer nicht verlassen, hätte sich für den Rest der Woche darin verkrochen.
Aber das Leben ging weiter, und für die überlebenden Kinder musste eine Menge getan werden. Damit das getan wurde, musste sie der Wahrheit ins Auge schauen.
Es würden Tränen fließen, wenn sie das Büro der Hilfsorganisation besuchte. Außerdem musste sie der kirchlichen Jugendgruppe, die geholfen hatte, Geld für die Reise zu sammeln, die schreckliche Nachricht überbringen. Diese Kinder hatten in Briefwechsel mit den Kindern in Tulgeria gestanden, Fotos waren ausgetauscht worden. Ihnen von der Tragödie zu berichten, würde nicht leicht werden.
Und dann war da noch Bobby.
Auch ihm musste sie sich stellen. Sie hatte ihn angelogen. Ihm erzählt, dass sie mit nur einer einzigen Nacht zufrieden wäre. Na ja, vielleicht war das gar keine Lüge gewesen. Als sie ihm das sagte, hatte
Weitere Kostenlose Bücher