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Brodecks Bericht (German Edition)

Brodecks Bericht (German Edition)

Titel: Brodecks Bericht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Claudel
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was ich bisher geschrieben habe, noch einmal durchlese, wird mir klar, dass mein Schreiben etwas Gehetztes hat: ein wildes Tier, das wegrennt, Haken schlägt und versucht, die Hunde und Jäger auf seinen Fersen in die Irre zu führen. Was ich schreibe, ist ein großes Durcheinander, und ich erzähle von meinem Leben. Das Schreiben ist Balsam für meine Seele und meinen Körper.
    Der Bericht, den man bei mir in Auftrag gegeben hat, das ist etwas anderes. Da ist der Ton unpersönlich, ich gebe darin alle Gespräche wörtlich wieder und schweife nicht ab. Übrigens hat Orschwir schon angekündigt, dass ich am Freitagabend, in wenigen Tagen also, ins Rathaus kommen soll.
    «Komm Freitag zu uns, Brodeck, und lies uns etwas vor …» Um mir das zu sagen, hat er mich sogar zu Hause besucht. Er setzte sich, dick wie er war, ohne Gruß oder ein Wort des Danks auf den Stuhl, den Fédorine ihm hinschob, nahm seine Otterfellmütze ab und wies das Glas, das ich ihm anbot, zurück.
    «Danke, keine Zeit. Hab viel zu tun, dreißig Stück zu schlachten, heute Morgen. Und ich muss dabei sein, sonst verderben sie mir noch alles …»
    Über unseren Köpfen hörte man Schritte. Da oben trippelte Poupchette wie ein Mäuschen. Dann waren da noch langsamere, schwerere Schritte und eine ferne Stimme: Emélia sang. Orschwir blickte kurz auf, sah mich an, als wollte er etwas sagen, besann sich aber, zog seinen Tabaksbeutel hervor und drehte sich eine Zigarette. Wir schwiegen lange und beharrlich. Orschwir zögerte. Gerade erst hatte er mir doch noch gesagt, er werde auf seinem Bauernhof gebraucht. Er zog ein paarmal an seiner Zigarette, und der Geruch von Honig und altem Weinbrand verbreitete sich in der Küche. Orschwir raucht nicht irgendein billiges Kraut, sondern hellen, gut geschnittenen Tabak, den er für viel Geld von weit her kommen lässt.
    Noch einmal sah er zur Decke auf, dann wandte er mir wieder sein hässliches Gesicht zu. Die Schritte und Emélias Singsang waren verstummt. Fédorine beachtete uns nicht. Sie hatte Kartoffeln gerieben und formte daraus mit den Händen kleine flache Küchlein, die sie später in heißem Fett braten und mit Mohnsamen bestreuen würde.
    Orschwir räusperte sich.
    «Nicht zu einsam?»
    Ich schüttelte den Kopf.
    Er schien nachzudenken, zog an seiner Zigarette, hustete, verschluckte sich. Sein Gesicht lief so rot an wie die wilden Kirschen, die im Juni reifen, und Tränen traten ihm in die Augen. Dann ließ der Husten nach.
    «Brauchst du etwas?»
    «Nein.»
    Orschwir rieb sich mit seiner dicken Hand über die Wangen, eine Bewegung, als ob er sich rasierte. Ich fragte mich, worauf er eigentlich hinauswollte.
    «Na, dann geh ich mal wieder.»
    Den letzten Satz hatte er zögernd gesagt. Ich sah ihm direkt in die Augen, ob darin eine Erklärung zu finden war, aber er senkte schnell den Blick.
    Dann hörte ich mich etwas Merkwürdiges sagen, es kam mir vor, als spräche jemand anders, aber ich war es tatsächlich selbst, der die Worte mit einem drohenden Unterton sagte:
    «Das könnte dir so passen, was? Zu tun, als ob die beiden nicht da wären. Das könnte dir wohl so passen, was?»
    Da schwieg Orschwir endgültig.
    Ich sah, dass er angestrengt über meine Worte nachdachte, dass er versuchte, sie zu verstehen, was ihm aber offensichtlich nicht gelang. Denn plötzlich sprang er auf, nahm seine Mütze, drückte sie tief in die Stirn und ging. Die Tür quietschte leise und kurz, als er sie hinter sich ins Schloss zog. Und bei diesem leisen Geräusch kam mir plötzlich wieder die Erinnerung, wie ich auf der anderen Seite der Tür gestanden hatte, am Tag meiner Rückkehr vor zwei Jahren.
    Nach meiner Ankunft im Dorf hatten mich alle, denen ich begegnet war, mit runden Augen und offenem Mund angestarrt. Einige waren rasch in ihren Häusern verschwunden, um die Neuigkeit von meiner Rückkehr zu verbreiten, und allen war klar, dass sie mich in Ruhe lassen und mit Fragen verschonen mussten. Für mich zählte nur eins: Ich musste so schnell wie möglich nach Hause, die Klinke meiner Haustür hinunterdrücken, die Tür öffnen und endlich dieses leise Quietschen hören, ich musste nach Hause zu meiner Frau, die ich liebte und an die ich unablässig gedacht hatte. Ich musste sie wiedersehen, in den Arm nehmen, so fest an mich drücken, dass es ihr fast wehtun würde, und sie endlich wieder küssen.
    Wie oft war ich diesen Weg, diese wenigen Meter, in meinen Träumen gegangen! Daher zitterte ich an jenem Tag, als

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