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Broken (German Edition)

Broken (German Edition)

Titel: Broken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Kyle Williams
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wenn ich ein Heizgerät laufen hatte, aber aus dem Krematorium hab ich nichts dampfen sehen.» Ihre Stimme wurde leise, als würde sie eine Geistergeschichte erzählen. «Ich hab heute Morgen gesehen, wie er einen Leichenwagen reingelassen hat, und dann hat er wieder zugemacht und ist verschwunden. Der Laden ist mehr zu als offen.»
    «Interessant», sagte Neil, der den Eindruck erwecken wollte, nur leicht besorgt zu sein, es aber nicht ganz hinkriegte. «Wie erklären Sie sich das?»
    «Gottchen, da will ich gar nicht drüber nachdenken.»
    Ich lehnte mich in meinem Schaukelstuhl zurück und beobachte Joe Ray. «Wie ist der Verkehr an Werktagen? Fahren hier viele Mitarbeiter vorbei? Stört Sie das? Ich würde nicht gern an einer Straße wohnen, wo viel Verkehr ist.»
    «Das war immer ein Familienbetrieb», antwortete Mary Kate. Neil und ich wechselten einen Blick. «Ich glaub, ich hab immer bloß Joe Ray senior und Joe Ray junior da arbeiten sehen, sonst keinen. Gottchen, da drin muss das reinste Chaos herrschen. Nie im Leben hatte er heute Morgen Zeit, sich um die Leichen zu kümmern. Ich wette, die liegen noch immer da und warten, dass sich jemand ihrer annimmt. Wenn ich mal nicht mehr bin, will ich, dass sich jemand richtig um mich kümmert. Ich will nicht auf irgendeiner Trage in einer von Joe Rays Kühlkammern rumliegen. Wir müssen schon zu Lebzeiten genug von unserer Würde abgeben.»

[zur Inhaltsübersicht]
    16
    B ig Knob war ein bisschen wie die Touristenorte an den Niagarafällen: ein Rummelplatz mitten in einer überwältigenden Landschaft. Ich rechnete schon beinahe damit, ein Wachsfigurenkabinett zu sehen, eingezwängt zwischen Souvenirläden, Jetski-Verleihen und Restaurants, die Backfisch und frittierte Maisbällchen zusammen mit den Produkten hiesiger Brauereien servierten. Ich war in die Stadt gefahren, um mich unter den Einheimischen ein bisschen umzuhören und mir einen allgemeinen Eindruck von Georgias ältestem und größtem Krematorium zu verschaffen. Irgendwie wurde ich immer noch nicht schlau aus der Sache. Und außerdem ging mir das, was Mary Kate über die «Gase» gesagt hatte, nicht aus dem Kopf. Ich wollte noch nicht mit Joe Ray Kirkpatrick sprechen. Seine Version der Geschichte kannte ich ja, und ich wollte ihn auf gar keinen Fall warnen, dass wir gekommen waren, um herumzuschnüffeln.
    Neil war im Hotel geblieben, um meinem Verdacht in Rausers Fall nachzugehen. Ich hatte ihn gebeten, die Berichterstattung in den Lokalzeitungen nach Gewaltverbrechen zu durchforsten, bei denen Geschenkpapier oder ein Luftballon oder Ähnliches am Tatort gefunden worden war. Es war ein Schuss ins Blaue, das wusste ich. Aber ich hätte die Spuren, von denen ich jetzt glaubte, dass sie absichtlich an den beiden Tatorten zurückgelassen worden waren, um ein Haar übersehen, und vielleicht war es der Polizei andernorts ja ähnlich ergangen. Vielleicht war wichtiges Beweismaterial auf irgendeiner Asservatenliste gelandet, genau wie das Geschenkpapier in Kellys Tasche. Vielleicht, und das war noch beunruhigender, vielleicht hatte Mikis Stalker schon einmal getötet. Sosehr Rauser sich auch dagegen gesträubt hatte, die Möglichkeit eines Serienmörders zu erörtern, er war ein guter Cop. Ich wusste, er würde der Frage nachgehen, würde Tätersignatur und Methode durch die Datenbanken laufen lassen und seine Spurenspezialisten beauftragen, die Fasern der Schnüre an beiden Tatorten zu vergleichen. Ich musste immer wieder an die trauernde Mutter denken, die von ihrem Fenster aus zu uns herüberschaute, an Donald Kellys verzerrtes Greisengesicht, an den ziegelroten Fleck auf seinem Hemd, die Kleckse an seiner Leiche, die im Licht einer forensischen Lampe aufgeleuchtet hatten. Rauser hatte mich skeptisch angesehen, als ich spekulierte, es könnte zwischen den Fällen eine Verbindung bestehen. Er hatte in dem Moment nicht darüber nachdenken wollen. Das hätte niemand. Die Implikationen sind zu erschreckend. Aber ich wusste, dass er trotzdem darüber nachdenken würde. So war er nun mal.
    In den Restaurants und Kneipen von Big Knob herrschte Hochbetrieb. Ich hatte Mühe, einen Parkplatz zu finden. Fast überall im Süden sind Spirituosengeschäfte sonntags geschlossen. In Restaurants jedoch darf ab Mittag Alkohol ausgeschenkt werden, also etwa zu der Zeit, wenn die Gottesdienste enden, sodass gottesfürchtige Südstaatler gleich nach der Kirche mit dem Trinken anfangen können. Aber diese Sichtweise ist an einem

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