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Broken (German Edition)

Broken (German Edition)

Titel: Broken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Kyle Williams
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blieb, denn sie antwortete nichts.
    «Das ist einer der Gründe, warum wir überlegen hierherzuziehen.» Ich stieß Neil mit dem Ellbogen an.
    «Richtig», brachte er mit vollem Mund heraus. «Wir lieben das Land.» Krümel des Vollkornkeksbodens sprühten auf meinen Arm. Ich wischte sie weg.
    «Ist das da ein Nachbar? Oder eine Hilfskraft?» Ich deutete mit dem Kopf in Joe Rays Richtung.
    «Sie haben ihn doch lange genug beobachtet. Was meinen Sie?» Mrs. Stargells Stimme hatte ein leichtes Alterszittern.
    «Ich glaube, er wohnt da», erwiderte ich, ohne mir anmerken zu lassen, dass sie mich überrascht hatte. Mich beschlich das Gefühl, dass Mary Kate Stargell mehr auf Draht war, als ich gedacht hatte. Alte Frauen können etwas Unheimliches an sich haben. Sie taxierte mich jetzt.
    «Wo kommen Sie her, meine Liebe, wenn ich fragen darf?» Da war sie, die ach so entscheidende Frage, typische Südstaatenbigotterie.
    «Ich bin halb Chinesin, halb Amerikanerin, Mrs. Stargell, falls Sie das meinen.»
    «Genau wie der Kudzu da draußen. Der macht sich auch überall breit. Gottchen, Gottchen.» Sie schnaubte. «Wenn Sie mich fragen, müssen Sie sich entscheiden. Chinesin oder Amerikanerin. Was von beidem?»
    Ich spürte, wie es mich aus dem Schaukelstuhl zog. Neil hielt mich am Arm fest. «Die Zitronenschnitten sind das Beste, was ich je gegessen habe, Mrs. Stargell», sagte er mit einer honigsüßen Stimme, wie ich sie noch nie von ihm gehört hatte. Zucker brachte ihn immer auf Touren.
    Sie lächelte ihn an, zeigte Zähne, die zu groß waren und eine zu gerade Unterkante hatten, um echt zu sein. Ich schätzte, sie schliefen nachts in einem Glas Wasser neben ihrem Bett. «Sie sind ein höflicher junger Mann.» Sie hielt ihm den Teller hin, und er bediente sich. «Sie erinnern mich an meinen Frank. Gott hab ihn selig. Er ist ’97 gestorben. Wir haben dieses Grundstück vor fünfunddreißig Jahren gekauft.»
    «Da können Sie bestimmt so einiges erzählen», sagte Neil und aß sein Leckerli auf. Sie hatten mich jetzt völlig ausgeschlossen, was mir nur lieb war. Ich hatte Neil noch nie so charmant erlebt. Er schien die alte Giftnudel richtig zu mögen.
    «Das kann man wohl sagen», erwiderte Mary Kate. «Der da drüben beunruhigt mich ganz schön.» Sie schaute zu Joe Ray Kirkpatrick hinüber. «Ständig sieht man ihn graben oder irgendwas pflanzen. Macht, wozu er Lust hat. Überlässt es meistens seiner Mama, sich um alles zu kümmern. Er holt Kudzu aus dem Wald und pflanzt ihn entlang der Straße, um die Böschung zu stabilisieren.» Sie schnaubte ärgerlich ob derlei Unsinnigkeit. Das wild wuchernde Gewächs hatte fast den ganzen Süden verschluckt. «Ich bezahle extra einen Mann dafür, dass er einmal die Woche mit einer Machete meine Schwarznussbäume von dem Zeug freihält. Wenn Sie mich fragen, hat jeder, der dabei erwischt wird, wie er es pflanzt, eine gehörige Tracht Prügel verdient. Aber Sie wissen ja, wie stur Schwarze sein können.»
    Oje, die Konföderiertenflagge wehte aber heute ganz oben. Neil hatte wohl bemerkt, dass sich meine Fingernägel beinahe in die Armlehne gruben, denn er legte seine Hand auf meine und fragte Mrs. Stargell, wie es denn so sei, neben dem Krematorium zu wohnen. «Gibt es viel Rauch?»
    Mary Kate schüttelte den Kopf. «Es war nie richtiger Rauch. Als Frank noch lebte, hat er das, was da rauskam, immer Gase genannt. Es sieht aus wie Dampf, wenn es da aus dem Metallrohr kommt. Vor allem im Winter. Joe Ray hat mal wieder Blähungen, hat mein Mann dann gesagt, und wir haben uns nicht mehr eingekriegt vor Lachen.» Sie dachte darüber nach, schaukelte ein paarmal mit dem Stuhl. «Joe Ray senior natürlich. Der Schlawiner da draußen hat den Betrieb übernommen, als sein Daddy vor ein paar Jahren starb.»
    «Dann ist er also ein Schlawiner?» Ich versuchte, mich wieder in die Unterhaltung einzuschleichen.
    «Eine nettere Bezeichnung fällt mir nicht ein. Ist hinter jedem Rock in der Stadt her. Und ein Faulpelz ist er auch.»
    Neil und ich blickten über das Kirkpatrick-Grundstück zu dem Mann in der Ferne, der seit unserer Ankunft dort unermüdlich arbeitete.
    Mrs. Stargell schien unsere Gedanken zu lesen. «Ha, lassen Sie sich dadurch nicht täuschen. Das ist die einzige Arbeit, die er macht.»
    «Und was ist mit dem Krematorium?», fragte ich.
    «Ich hab bestimmt schon ein Jahr lang keinen Dampf mehr gesehen. Letzten Winter konnte ich meinen Atem hier auf der Veranda sogar sehen,

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