Broken (German Edition)
konnte, wo das Bett stehen sollte. Ich hatte die Wohnung im letzten Studienjahr an der Georgia Southern für zweihundertdreißig Dollar im Monat gemietet. Die Vermieterin, die im Erdgeschoss wohnte, mochte mich. Sie machte morgens immer frische Tortillas, und wenn mir beim Aufwachen der Duft, der an frisch gebackenes Brot erinnert, in die Nase stieg, wurde mir richtig warm ums Herz. Wir bestrichen sie mit Butter und selbst gemachter Feigenmarmelade und plauderten beim Kaffee, bevor ich zur Uni ging. Sie fühlte sich mir verbunden, glaube ich, weil ich Chinesin bin und sie Latina war. Wir hatten beide die Erfahrung gemacht, im Süden aufzuwachsen und anders auszusehen.
«Ich frage mich, warum einer, der so clever ist, die verschüttete Asche durch Zementmischung zu ersetzen, extra den weiten Weg zum Schuppen geht, wo das Hühnerfutter lagert, um die Urne neu zu füllen.»
Ich reichte Neil das Fernglas. Er inspizierte das Grundstück. Ich sah Bewegung auf dem Feldweg zwischen Haus und Krematorium. «Da ist jemand, auf halber Strecke zwischen hier und dem Haus.»
«Das ist Kirkpatrick», sagte Neil. «Sieht genauso aus wie auf dem Foto auf der Webseite vom Krematorium. Bloß dass er jetzt verschwitzt ist.»
«Was macht er?»
«Er gräbt», sagte Neil und gab mir das Fernglas zurück. Ich sah Erdklumpen und Unkraut und Schutt in der Schubkarre und schaute zu, wie Kirkpatrick noch mehr Schutt in die Schubkarre schaufelte.
«Bei Gewitter kommt das Regenwasser von den Bergen geflossen», sagte Neil. «Wenn du deine Gräben nicht sauber hältst, wird alles überschwemmt.»
«Was du nicht sagst, Mr. Superfarmer. Donnerwetter. Ich wusste gar nicht, dass du dich mit Bewässerung auskennst.»
«Ich hab mir allerhand über die Gegend hier angelesen, während du weg warst. Willst du wissen, woher Big Knob seinen Namen hat?»
«Ganz bestimmt nicht», sagte ich, während ich mir das Umland anschaute. Genau vor uns sah ich etwa fünfzig Meter entfernt und gegenüber vom Kirkpatrick-Grundstück ein kleines Backsteinhaus mit einer durch Fliegengitter geschützten Veranda. Durchs Fernglas erkannte ich einen Deckenventilator, der sich hinter dem dunklen Fliegendraht drehte. «Heiliger Strohsack», entfuhr es mir. «Wir sind soeben von der hiesigen Schnüfflerin entdeckt worden.»
Ich blickte auf eine schmächtige, weißhaarige Frau in einem Schaukelstuhl. Sie hatte ein altes, militärisch aussehendes Fernglas, so groß wie zwei Thermosflaschen. Sie blickte mich ihrerseits direkt an. Ich legte den Gang ein, fuhr langsam die Straße hoch und bog dann in die Einfahrt. Der Briefkasten war für den bevorstehenden Feiertag mit rot-weiß-blauer Folie geschmückt.
«Was hast du vor?», wollte Neil wissen.
«Wie wär’s, wenn wir sagen, wir wollen ein Haus kaufen», schlug ich vor.
«Zusammen?» Neil kicherte. «Wir tragen keine Ringe.»
«Wir improvisieren», sagte ich, als wir aus dem Wagen stiegen, und dann gingen wir auf das Haus der alten Frau zu, wo neben dem Eingang eine amerikanische Flagge in einer Halterung steckte.
Neil hatte es offenbar die Sprache verschlagen, also übernahm ich das Reden. Wir hätten uns ein Haus ganz in der Nähe angesehen, sagte ich zu der drahtigen Frau, die an der Tür stand. Sie hatte weißes Haar und flinke, braune Augen. Die Gegend würde uns gefallen, aber uns wäre nicht ganz wohl bei dem Gedanken, so nahe an einem Krematorium zu wohnen, erklärte ich. Prompt wurde die Tür weit aufgerissen, und wir betraten Mary Kate Stargells kleines, properes, mit Spitzendeckchen verziertes Haus.
Sie winkte uns, ihr in die Küche zu folgen, wo sie Eiswürfel in hohe Gläser tat, die sie mit süßem Tee auffüllte und unten mit Stoffservietten umwickelte, damit sie auf den breiten Armlehnen ihrer weißen Schaukelstühle auf der Veranda keine Ringe hinterließen. Sie verschwand kurz und servierte uns dann mit Puderzucker bestreute Zitronenschnitten. Gekühlte Zitronenschnitten passten perfekt zu Eistee an einem heißen Tag, klärte Mrs. Stargell uns auf. Neil musste nicht erst überzeugt werden. Er war schon hin und weg.
Die Schaukelstühle standen in einer geraden Linie auf der Veranda mit Blick auf den Kirkpatrick-See, die welligen Wiesen und Joe Rays Feldweg, wo er noch immer mit seiner Schaufel zugange war.
«Es ist so schön ruhig hier», sagte ich, nachdem wir uns in den Schaukelstühlen niedergelassen und Joe Ray eine Weile zugeschaut hatten. Offenbar wollte Mary Kate Stargell, dass das so
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