Broken (German Edition)
kann die Hand nicht vor Augen sehen.»
«Warte einfach.»
«Lass mich hier draußen nicht allein, Mann.» Ich hörte ihn ausrutschen und leise fluchen.
«Du hattest recht», sagte Rauser. «Caterer haben fünfundvierzig Minuten vorher Tabletts angeliefert. Wir klappern verschiedene Stellen ab. Übrigens, Mikis Handy war zuletzt im Whole Foods in Midtown eingeschaltet, wo sie einkaufen war. Ist also unmöglich zu sagen, ob sie es da verloren hat und es einfach ausgegangen ist, als der Akku leer war, oder ob es ihr jemand geklaut hat.»
«Du klingst müde.»
«Hab heute drei Fälle abgeschlossen. Wahrscheinlich hab ich morgen fünf neue am Hals. Aber erst mal haben wir wieder etwas Luft, ich kann also ein paar Leute mehr auf die Morde an Kelly und Delgado ansetzen.» Er verstummte. Ich hörte das Knistern der Metallfolie, als er seinen Nikotinkaugummi aus der Packung drückte. Ich erkannte das Geräusch inzwischen im Schlaf. Er war völlig abhängig von dem Zeug, das ihn bestimmt zweihundert Dollar im Monat kostete. Aber er rauchte nicht, was ziemlich gut war für jemanden, der seinen stressigen Job mit einer Zigarette in der Hand gelernt hatte. «Du hattest mit zwei Sachen recht. Der Luftballon hat nicht lange da gelegen. Der war frisch aus der Packung. Und das Labor hat die Schnurfasern abgeglichen. Hundertprozentige Übereinstimmung. Wir haben es vermutlich mit ein und derselben Charge zu tun. Wir versuchen, sie bis zu einem bestimmten Laden zurückzuverfolgen. Anscheinend kriegt man diese Schnur in jedem Baumarkt und auch in etlichen Drugstores und Supermärkten.»
«Mikis Haus, das Gebäude, wo Kelly entführt wurde, die Siedlung, wo die Delgados wohnen, das alles liegt in einem ziemlich überschaubaren Bereich», sagte ich.
«Ja. Genau wie das Seniorenheim. Alles in Midtown.»
«Er musste mehr kaufen als bloß die Schnur», sagte ich. «Er brauchte Haken und Dübel und so weiter. Im Herzen von Midtown ist ein großer Baumarkt. Er wird da eingekauft haben, wo es praktisch für ihn ist, und er wird einen Laden auswählen, wo er nur ein Gesicht in der Menge ist. Ich bin sicher, die haben Überwachungskameras.»
«Sobald wir sicher wissen, wo das Zeug herstammt, sehen wir uns die Bänder der Überwachungskameras an. Ich hab außerdem jemanden drauf angesetzt, ungeklärte Fälle unter die Lupe zu nehmen, die Asservatenverzeichnisse durchzusehen und so weiter. Vielleicht ist Beweismaterial dabei, das zu der Zeit nicht wichtig zu sein schien.»
«Genau den Gedanken hatte ich auch. Neil durchforstet alte Zeitungen nach Polizeimeldungen.»
«Ich bin froh über die Hilfe. Und über deine Hilfe heute. Möglicherweise hast du uns einen entscheidenden Schritt weitergebracht. Und du hast recht. Genau deshalb schleppe ich dich mit an Tatorte.»
«Ich mache das gern», sagte ich.
«Wie geht’s dir, Schatz?», fragte er. «Alles in Ordnung?»
«Ja, bis auf die Sorgen wegen Miki.»
«Weißt du, wir haben eine Menge durchgemacht, wir zwei, bei den Wunschknochen-Fällen letztes Jahr.»
«Warum sagst du das?»
«Wir sind schwer verletzt worden. Aber du bist gleich arbeiten gegangen, sobald du wieder auf den Beinen warst.»
«Ja klar. Ich hab schließlich einen Riesenkredit abzuzahlen. Außerdem hättest du dasselbe getan, wenn deine Vorgesetzten dich gelassen hätten.»
«Ich musste wochenlang zum Seelenklempner, ehe ich wieder eine Waffe tragen durfte.»
«Willst du damit andeuten, ich soll aufhören zu arbeiten oder mich von meiner Zehn-Millimeter trennen?» Ich sagte das leichthin, aber ich hatte das ungute Gefühl, dass Rauser mehr auf dem Herzen hatte.
Sein Schweigen zog sich hin. «Ich bin heute Tyrone über den Weg gelaufen. Er meinte, als er dich das letzte Mal gesehen hat, hättest du angespannter gewirkt als sonst.»
«Wie das?»
«Er hat gesagt, dass du ausgerastet bist, als dir ein junger Bursche blöd gekommen ist, dass du ihm mit deiner Pistole eins übergebraten hast.»
Hatte ich übertrieben reagiert? Ich fand nicht. Ich hatte mich bedroht gefühlt. Ich hatte mich geschützt. Ich spürte, wie ich wütend wurde und sich das nervöse Zucken im Augenwinkel meldete.
«Ich wäre froh, wenn du dir eingestehen könntest, dass das, was uns zugestoßen ist, gravierend war», sagte Rauser weiter. «Ich wäre froh, wenn du dich damit auseinandersetzen würdest, statt es zu verdrängen. Du redest nie mit mir über deine Gefühle.»
«Fang nicht an, mich therapieren zu wollen, Rauser. Ich bezahle
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