Broken (German Edition)
wollen, hatte Rauser mir gesagt, und das machte ihm Sorgen. Rauser würde Hicks in die Details einer Ermittlung einweihen müssen, die von Tag zu Tag komplizierter und teurer wurde.
Ich trank einen Schluck Kaffee und schaute zu dem Karree im Garten hinüber, das er für ein Gemüsebeet umgegraben, aber dann nicht bepflanzt hatte. Im frühmorgendlichen Licht war es ein Chaos aus aufgewühlter Erde und Unkraut. Der Morgen war bereits extrem schwül. Kein Lüftchen wehte.
Irgendetwas bewegte sich am Zaun, und wir blickten beide in die Richtung, schlagartig alarmiert. Rauser wollte nach seiner Waffe greifen, zog die Hand aber wieder zurück, als wir die graue Tigerkatze von nebenan sahen, die am Zaun hochkletterte. Sie balancierte einen Moment darauf, sprang dann hinunter und zottelte zu dem vernachlässigten Beet. Sie suchte herum, schnüffelte, drehte sich ein paarmal im Kreis, schnüffelte, suchte wieder, legte die Ohren an und erledigte ihr Geschäft.
«Kleines Mistvieh», knurrte Rauser. «Die guckt uns kackfrech dabei an.» Ich musste mir auf die Lippe beißen, um nicht loszuprusten. Rauser hatte unabsichtlich ein riesiges Katzenklo in seinem Garten angelegt.
Er seufzte. «Der Kollege ist in vierzig Minuten da. Wir sollten Miki wecken und noch mal alles Wichtige durchsprechen. Und ich möchte einen Streifenwagen raus zu deiner Mom schicken. Nicht dass sie jemanden, der sich ihr an die Fersen heftet, schnurstracks zum Fernsehstudio führt.»
Ich wollte nicht über Miki nachdenken oder über Mikis Sicherheit oder über die rätselhaften Morde an einem Kind und einem alten Mann. Ich wollte alles wegschlafen – die Morde, den Stalker, der zu nah an meine Eltern rangekommen war, das Krematorium. Einfach alles. Ich stand trotzdem auf und wappnete mich für den Tag.
Rauser war in seinem verglasten Büro, das Telefon ans linke Ohr gepresst, als ich ins Präsidium kam. Es war zehn Uhr. Miki und meine Mutter waren sicher zum Fernsehstudio eskortiert worden, das Miki für Mutters Probevideo organisiert hatte. White Trash war gefüttert, und ich war geduscht und hatte frische Sachen angezogen. Brit Williams sah mir entgegen, als ich von den Aufzügen den Flur hochkam, und begrüßte mich. Rauser hatte sein Team darüber informiert, dass ich an Bord kommen würde. Wir hatten schon einmal zusammengearbeitet. Als ich im letzten Jahr als Beraterin engagiert worden war, waren sie mir zuerst mit Misstrauen und Abneigung begegnet. Wir hatten uns zusammengerauft. Vertrauen muss verdient werden, das verstand ich. Brit Williams war letztes Jahr für Rauser eingesprungen, als der wegen seiner Verletzung krankgeschrieben war. Dass er anstandslos in seine vorherige Position zurückkehrte, sobald Rauser genesen war, hatte ihm eine Beförderung zum Sergeant eingebracht. Im Morddezernat waren siebzehn Ermittler tätig. Ein paar von ihnen waren gute Freunde für mich geworden. Williams war einer von ihnen.
Er brachte mich zu einem von niedrigen Trennwänden umschlossenen Schreibtisch in dem Großraumbüro, in dem das Morddezernat als Teil der Abteilung für Kapitalverbrechen untergebracht war. Er trug eine kamelfarbene Stoffhose, ein weißes Hemd mit gelockerter Krawatte. Seine Stirn glänzte, aber die Hemdsärmel waren noch unten. Erst zehn Uhr am Morgen, und draußen waren es über dreißig Grad. Luft vom Golf strömte in unsere ohnehin schon instabile Atmosphäre. Wir hier unten im Süden sind insgeheim ganz froh über die Witterungsschwankungen. Nachmittagsgewitter bringen Sturmböen mit sich und sorgen für reichlich Dramatik. Entwurzelte Bäume verursachen Chaos auf Kreuzungen und blockieren Straßen. Ausgefallene Ampeln schwingen im Wind. An Mittagstischen überall in der Stadt hört man Begriffe wie Windscherung und Luftdruck . El Niño und Atlantas glühend heiße Sommer machen uns zu Experten, was Wetterphänomene angeht.
Wie üblich war die Klimaanlage der City Hall East völlig überfordert. Ein paar Alustreifen waren an eines der verrosteten Lüftungsgitter gebunden worden, aber der Luftzug, der von irgendwo tief unten in dem zweihunderttausend Quadratmeter großen Gebäude aus bröckelndem Backstein und Putz kam, war so schwach, dass die Bänder sich nur sporadisch hoben und zuckten.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch. Williams beugte sich über mich. «Ich hab Sie ins System eingeloggt, Sie können also auf alles zugreifen, was eingegeben ist. Ich hab Ihnen die Fallnummern aufgeschrieben, aber Sie kommen auch
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