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Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Milford
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war und kein noch so großes Geschrei ihr etwas anhaben konnte.»
    Er schluckte. «Es tut mir so leid.»
    Jin zuckte wieder mit den Achseln. «So wird das immer gemacht. Seit Jahrhunderten. Es ist ein Statussymbol, aber außerdem … na ja, Männer finden es wohl attraktiv. Das ist auch der Grund, warum es in dem Haus gemacht wurde, in dem ich lebte. Irgendjemand kam auf die Idee, dass ein paar von uns – die weniger Hübschen – mit gebundenen Füßen bessere Preise erzielen würden. Und außerdem konnten wir dann nicht weglaufen. Und so machten sie aus mir und einigen anderen kleinfüßige Mädchen, obwohl ich schon acht war, was normalerweise schon zu alt dafür ist und …» Sie schluckte. «Es war sehr schlimm. Der Schmerz, meine ich.»
    Wieder dehnte sich die Stille aus. Dann sprach Jin weiter. «Ich glaube, wenn ich ein normales Mädchen gewesen wäre, wenn ich danach in die Arme meiner Mutter hätte laufen können und sie mir gesagt hätte, warum es so wichtig war, die ganze Tradition und so weiter, und warum sie mir das zumutete … dann wäre es anders gewesen. Aber das war es nicht, nicht in dem Haus in San Francisco. Es wurde gemacht, weil jemand der Meinung war, dass die Männer, die in das Haus kamen, gerne ein Mädchen auf winzigen Lotusblütenfüßen herumtippeln sehen würden, und ich hatte keine Mutter, zu der ich hätte laufen können. Ich konnte überhaupt nicht mehr laufen.»
    Wenn ihm ein anderer Junge aus der Mietskaserne von seinem elenden Schicksal erzählt hätte, hätte Sam dem Kleinen den Arm um die Schultern gelegt oder ihm einen Klaps auf den Rücken gegeben, aber jetzt schien ihm das nicht passend. Außerdem, so vermutete er, würde es ihm Jin wohl ziemlich übel nehmen, wenn er ohne ausdrückliche Aufforderung zum zweiten Mal innerhalb einer Viertelstunde Hand an sie legte.
    «Wie bist du von dort weggekommen?», fragte er schließlich.
    «Es gab da einen Mann, einen Grubenarbeiter. Er hatte eine alte … Verletzung, und wenn er in das Haus kam, wollte er nur reden, mehr nicht. Ich fragte ihn nach Sprengstoff. Ich tat so, als wäre ich fasziniert von Feuerwerken – ich war damals noch klein, fast noch ein Kind. Er brachte mir Knallfrösche und kleine Böller mit, kleine Sprengkörper, die ich im Hof anzünden konnte, ohne das ganze Haus in Brand zu stecken. Ich stellte Fragen und lernte, und dann fing ich an, Pulver und Zündschnüre zu stehlen.»
    Das Katharinenrad war vor geraumer Zeit ausgegangen. Jin holte weitere Raketen aus ihrer Tasche und fuhr fort:
    «Irgendwann merkte er, was ich vorhatte. Ich glaube, er hat mir sogar einige Dinge extra deswegen mitgebracht. Ich hätte mich ihm wohl anvertrauen können, aber ich dachte, wenn ich mir von ihm helfen lasse, erwartet er vielleicht, dass ich mit ihm gehe. Und dann, als ich genug beisammen hatte und dachte, ich könnte es schaffen, habe ich die Zündschnur angezündet. Ich habe das halbe Haus gesprengt und bin in dem Durcheinander geflohen.»
    «Du hast das Haus in die Luft gejagt, um zu entkommen?» Sam versuchte nicht einmal, seine Bewunderung zu verhehlen. «Mit acht Jahren?»
    «Da war ich schon neun.» Aber sie lächelte, während sie das sagte. «Das Sprengen war nicht schwer. Schwieriger war es, die Leute aus dem Teil des Hauses zu locken, den ich zerstören wollte.»
    «Trotzdem.»
    «Ich humpelte drei Blocks weit, ehe ein Wagen mir den Weg abschnitt. Es waren Liao und Mr. Burns.» Jin zog zwei Tiegel aus ihrer Tasche, schraubte die Verschlüsse auf und schüttete den jeweiligen Inhalt in eine Metallpfanne. «Sie waren auf der Durchreise und zufällig gerade in der Nähe, als die Explosion geschah. Liao sprang vom Wagen und kam mir nach, und ich konnte ja nicht rennen. Er warf einen einzigen Blick auf meine Hände und wusste sofort, dass ich mit Schießpulver gespielt hatte.»
    Sie zog einen Handschuh, der an den Fingern mit Asche beschmiert war, aus und zeigte Sam ihre Hand. Auf dem Handrücken prangten die Narben von alten und frischen Wunden: glänzende Haut auf den Knöcheln ihres Zeigefingers und am Ende ihres Daumens, und eine Narbe nahe dem Handgelenk, die rosig aus der goldenen Färbung ihrer restlichen Hand herausstach. Sie erhob sich, stellte die Pfanne ein Stück weit von ihnen entfernt auf und goss ein paar Tropfen Öl über das Pulver. Ein scharfer Zimtgeruch stieg auf.
    «Ich war der festen Überzeugung, sie würden mich der Polizei ausliefern, aber Onkel Liao meinte, wer das fertig bringt, was ich getan

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