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Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Milford
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schaute den Funken nach, die von Jins wunderschöner Blume aus Licht in den Himmel flogen, und überlegte, was um Himmels willen er darauf antworten sollte. «Denkst du wirklich bei diesem Anblick an Folter?», fragte er leise. «Warum?»
    «Weil es Teil des Rades ist», sagte Jin. «Teil der Vergangenheit eines jeden Katharinenrades.» Sie wandte sich um und Sam fühlte, wie ihr Blick ihn durchbohrte. «Weil es Jahre her ist, seit ich eine Leiche gesehen habe, und heute waren es gleich zwei.»
    Die goldenen Funken spiegelten sich in ihren Augen, und es sah so aus, als ob sie voller Feuer und glühendem Schmerz wären. Sie hielt seinen Blick lange fest, ehe sie sich abwandte.
    «Manchmal ist es schwer, solche Dinge aus dem Gedächtnis zu verbannen, selbst im Angesicht der Schönheit», sagte sie leise. «Mir ist es nie gelungen. Onkel Liao sagt, das sei der Grund, warum ich eine so gute Feuerwerkerin bin. Ich weiß, dass Feuerwerk aus Gewalt und Krieg entstanden ist. Die ersten Pyrotechniker – jedenfalls die meisten von ihnen – waren Kanoniere. Ob du’s glaubst oder nicht, genauso hat Liao gelernt, mit Sprengstoff umzugehen: an Bord eines Schiffs. Alle Feuerwerke, auch dieses hier, sind Blumen, die aus einem Schlachtfeld erwachsen sind. Daher auch unser Motto.»
    « Arte et marte », murmelte Sam, der sich an die Worte auf dem Flugblatt erinnerte.
    «Kunst und Krieg.» Jin nickte heftig. «Und ich will alles tun, was ich kann, damit mein Werk die Zerstörung, die Feuerwerke in der Vergangenheit bewirkt haben, wiedergutmacht. Einige Menschen, wie etwa die Frau, von der ich vorhin erzählt habe, können nicht über das Böse hinaussehen. Aber ich will es so schön machen, dass sogar diese Menschen vergessen können, was Schießpulver und Sprengstoff angerichtet haben.»
    Sie schaute ihn an. Ihre Augen waren voller Nacht und Flammen, mit einem Glanz, den er für Tränen hielt. In ihnen lag auch ein Misstrauen, das drohte, wie ein Vorhang zwischen ihnen niederzufallen, dasselbe Misstrauen, das sie immer dann wie eine Rüstung anlegte, wenn von ihrer Vergangenheit die Rede war.
    Zu seiner Verblüffung wusste er genau, was er zu ihr sagen wollte, und er wusste auch, wie er es sagen wollte. «In deiner Vergangenheit kann es nichts geben, was dich in meinen Augen weniger lieblich machen würde.» Die Worte kamen stockend, aber aus irgendeinem Grund schien ihm das nicht schlimm zu sein.
    «Das weißt du doch gar nicht», sagte Jin wild. Ihr Blick war unbeschreiblich, unmenschlich schön. Noch nie zuvor hatte er sich so sehr gewünscht, ein Mädchen zu küssen. Und natürlich gab es für derlei Gedanken keinen schlechteren Zeitpunkt.
    Jetzt, da er die schwierigsten Worte bereits hinter sich gebracht hatte, fiel ihm der Rest leichter. «Du musst mir nichts erzählen, niemals. Ich verspreche dir, dich nie zu fragen, Jin. Aber ich verspreche dir auch: Was immer es ist, es ist mir egal.»
    Jin lachte. Es klang scharf und bitter. «Verzeih mir, wenn ich mich von deiner Ritterlichkeit nicht beeindruckt zeige. Aber jeder kann seine Neugier ein Wochenende lang im Zaum halten, Sam. Und danach wirst du mich nie wiedersehen.»
    «Das weißt du doch gar nicht», gab Sam zurück. «Und ich bin nicht ritterlich. Ich bin ein Kartenspieler. Ich bin nicht irgendein Dandy, der hübschen Mädchen Honig ums Maul schmiert. Das hier ist in etwa das längste Gespräch, das ich mit einem weiblichen Wesen hatte, das nicht meine Verwandte oder meine Vermieterin ist.»
    Wieder herrschte Schweigen. Vor ihnen kam das Katharinenrad spuckend zum Stillstand und ließ sie im Dunkeln sitzen.
    Jin drehte sich um und griff zu ihm hin. Sams Brust verkrampfte sich, und er zog sie an sich, ohne nachzudenken. Erst als er merkte, wie sie in seinen Armen erstarrte, wurde ihm klar, dass sie lediglich nach der Tasche mit den Feuerwerkskörpern gegriffen hatte, die hinter dem Stück Treibholz, auf dem sie saßen, auf dem Boden lag.
    « Cavolo », murmelte Sam und senkte rasch die Arme. «Tut mir leid.»
    «Schon gut.» Jin war aufgesprungen, die Tasche in der Hand. Sie zog Handschuhe an, hielt das sich immer noch langsam drehende Rad an und löste die verbrannten Überreste der Raketen mit ihrem Taschenmesser.
    Sam schaute zu, wie sie neue Raketen aus der Tasche holte, zunächst wieder eine Zündschnur am Rad anbrachte und dann die Feuerwerkskörper auswählte und sie ebenfalls befestigte. Er deutete das als gutes Zeichen. Wenn er die Sache vollständig vermasselt

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