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Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Milford
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hätte, würde sie wohl nicht bei ihm bleiben wollen, um ihm ein weiteres Feuerwerk zu zeigen.
    Diesmal dauerten die Vorbereitungen länger. Er konnte nicht sagen, ob sie etwas Komplizierteres zusammenbaute oder ob sie partout nicht an seine Seite zurückkehren wollte. Schließlich sprang das blaue Flämmchen aus dem Feuerzeug und entzündete die Schnur.
    «Schau!», flüsterte sie, nachdem sie sich wieder auf die Treibholzbank gesetzt hatte. Das Glühen raste um das Rad und setzte es in Bewegung. Diesmal explodierten die Raketen in Blau und Silber, und während das Rad Fahrt aufnahm, wanderten die Flammen nach innen und in der Mitte erwachte ein zartes Gebilde aus Funken zum Leben.
    «Als ich nach Amerika kam, nach San Francisco, da war ich fast noch ein Baby.» Jin starrte auf das Rad, während sie sprach. «Ich weiß nicht, wie ich dahin kam. Ich habe keine Erinnerung daran. Ich war vielleicht zwei Jahre alt.»
    San Francisco. Natürlich. Sam wurde das Herz schwer. Warum war ihm das nicht vorher klar geworden? Das war der Grund, warum sie sich so merkwürdig benommen hatte, als Ambrose sie «das Mädchen aus San Francisco» nannte. Ein chinesisches Mädchen, das dort aufwuchs … Egal, was sie ihm erzählen würde, es war bestimmt nichts Gutes.
    Und es war für sie nicht einfach, es auszusprechen.
    «Du musst nicht …»
    «Ich weiß.» Jins Finger, die noch in den Handschuhen steckten, streckten sich, und sie fuhr fort: «Ich wuchs in einem Haus auf, das einer von den Tongs gehörte. Die Tongs beherrschen San Francisco, jedenfalls den Teil, der von Chinesen bewohnt wird.»
    «Hier ist es genauso», sagte Sam leise, aber das stimmte nicht ganz. Die Tongs in New York waren nicht annähernd so mächtig wie die im Westen.
    «Es gibt nicht viele chinesische Frauen in Amerika.» Sie blickte aus den Augenwinkeln zu ihm hin. «Das weißt du doch auch, ja?»
    Sam nickte wortlos. So war es oft bei Immigranten: Väter, Söhne und Brüder kamen zuerst. Sein eigener Großvater war allein in New York eingetroffen, später erst hatte er Sams Großmutter nachgeholt, nachdem er genug Geld für die Überfahrt gespart hatte.
    «Die meisten chinesischen Frauen, die ins Land kommen, werden eingeschmuggelt», sagte Jin ausdruckslos, als ob sie etwas wiederholte, worüber sie eigentlich nicht nachdenken wollte. «Sie kommen nicht immer bei ihren Familien an, wenn sie hier überhaupt Familie haben. Es besteht die Möglichkeit, an einer Ladung Menschen viel Geld zu verdienen – besonders an Mädchen und besonders in einer Gemeinschaft, wo es Zehntausende Männer und nur ein paar Dutzend Frauen gibt. Du verstehst doch, was ich meine, oder?»
    Sam schaute hinunter auf seine Knie und nickte wieder. Die Tongs machten solche Geschäfte auch in New York.
    «Als ich acht war», fuhr Jin leise fort, «brachte man eine Frau ins Haus, die mir die Füße band. Der Schmerz war …» Sie verstummte kurz und holte tief Atem. «Ich hatte vorgehabt, wegzulaufen, aber danach konnte ich weder rennen noch klettern.»
    «Ich weiß nicht genau, was du damit meinst.»
    Sie schaute zu seinen nackten Füßen. «Knick deine Zehen ab, unter den Fuß, aber nicht den großen Zeh.» Er tat, wie ihm geheißen. «Weiter abknicken. Leg etwas Gewicht auf die Knöchel, wenn es sein muss. Man darf die Knöchel nicht mehr sehen.»
    Es war im Grunde genommen unmöglich, aber Sam tat sein Bestes. «Ist es so richtig?»
    «In etwa, aber du weißt jetzt wohl, was ich meine. Du kannst deinen Fuß wieder entspannen. Was du gerade getan hast, kommt dem Binden der Füße nicht einmal im Entferntesten nahe. Der Fuß wird mehr oder weniger am Fußgewölbe gebrochen und zusammengefaltet. Der Sinn liegt darin, die Länge des Fußes von vorne bis hinten auf zehn Zentimeter zu begrenzen.» Sie zeigte ihm die Länge mit Daumen und Zeigefinger. «So lang.»
    Sam starrte auf ihre Hand. «Wie soll das gehen?»
    Jin zuckte mit den Schultern. «Man bricht die Zehen, bricht das Fußgewölbe, faltet den Fuß nach Belieben, wickelt ihn in nasse Tücher, bindet ihn zusammen. Dann musst du aufstehen und herumlaufen, weil das Gewicht des Körpers das Zusammendrücken unterstützt. Wenn die Tücher trocknen, ziehen sie sich zusammen. Du musst die Füße alle paar Tage neu binden. Oder besser gesagt: Jemand anderes bindet sie, jemand, dem Schmerzensschreie nichts ausmachen. Die Frau, die mir zuerst die Füße zusammenband, prahlte damit, dass sie in China sehr begehrt gewesen sei, weil sie fast taub

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