Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Milford
Vom Netzwerk:
um die Stadt zu beschützen?», begehrte Sam auf. «Wenn dies das Einzige ist, was ihr tun müsst?»
    «Nun, das ist nicht das Einzige.» Sie streckte die Hand in die Höhe und strich über die straffe Leinwand des Segels. «Jeder von uns hat eine bestimmte Rolle, mit der er hilft, die Stadt zusammenzuhalten, auch in Friedenszeiten. Wir alle haben etwas, das wir unser ganzes Leben lang nicht mehr hergeben, sodass es nie verloren geht. Und dann geben wir es weiter. Ich bin die Hüterin der Geschichten.» Sie lächelte schwach. «Seit mein Vater nicht mehr am Leben ist, erfüllen mich alle Geschichten von New York und Brooklyn wie Wasser einen Krug. Manchmal laufen sie über, und ich sehe sie, auch wenn ich nicht hinschaue.»

Flussabwärts nach Norton’s Point würden sie etwa eine Stunde brauchen.

Susannah blickte ihn intensiv an, und etwas geschah: Ihre grauen Augen begannen leicht zu schielen, und obwohl sie ihn direkt fixierte, hatte Sam das Gefühl, dass sie noch etwas anderes sah.
    «Du sitzt mit einem blonden Jungen auf einem Dach in Smoky Hollow und spielst Karten», sagte sie leise. «Der Wind reißt sie mit und sie fliegen davon. Eine Eule kommt angesegelt und fängt einen Buben mit dem Schnabel auf, dreht ab und fliegt nach Süden. Der blonde Junge sagt, das sei er, wie er aus dieser Mietskaserne davonfliegt. Du nimmst einen schwarzhaarigen Buben und wirfst ihn in den Wind, der Eule hinterher.»
    «Das ist wirklich passiert», flüsterte Sam staunend. «Das war die Nacht, in der ich beschloss, mit Constantine nach Coney Island zu gehen.»
    «Du spielst mit einem Mann in einem blauen Leinenanzug Karten. Er versucht, dich zu betrügen, aber du merkst, was er vorhat und vertauschst die Karten, sodass er, als er die Karte ausspielt, die er im Ärmel hatte, damit das Spiel für dich entscheidet.»
    «Und so habe ich das Geld gewonnen, womit Con und ich bei Mrs. Ponzi einziehen konnten», erklärte ihr Sam mit großen Augen. «Ich erinnere mich an jedes Blatt, das ich gegen diesen Kerl ausgespielt habe.»
    Susannah nickte. Sie blinzelte, und ihre Augen richteten sich wieder auf ihn. «Das ist eine deiner Geschichten, und deine Geschichten, die deines Freundes und meine und die Geschichten von allen Menschen, die hier leben – all diese Geschichten formen die Geschichte der Stadt. Und ich bin die Hüterin dieser Geschichten. In mir sind sie lebendig.»
    «Du … du weißt also alles, was je hier geschehen ist? Was jedem, der hier lebt, widerfahren ist?» Er starrte sie an. «Wie kann man das alles im Kopf behalten?»
    «Es ist nicht in meinem Kopf», sagte sie achselzuckend. «Es ist in meinem Körper und in meinem Blut. Das ist es, was ich bin. Diesen Teil meiner Aufgabe verstehe ich. Es ist die Frage, wie ich mich und die Stadt vor dieser Invasion schützen kann, die mir Sorgen bereitet.
    Einen solchen Angriff hat die Stadt noch nie erlebt. Möglicherweise wird mich Hawks einfach verstecken, weil er denkt, dass einer von uns unbemerkt bleiben muss, damit die Stadt der Belagerung standhalten kann. Aber», sagte sie nachdenklich, «wie lange würde es mir gelingen, mich vor solchen Kreaturen zu verbergen? Kreaturen, die nicht so leicht aufgeben. Sie haben mich so schnell aufgespürt …»
    Sie schüttelte den Kopf. «Nein, das geht nicht. Es muss irgendetwas geben, das ich tun kann. Unglücklicherweise ist der Einzige, der mich darüber aufklären kann, ausgerechnet derjenige, mit dem ich nicht zusammentreffen sollte: Hawks.»
    Susannah legte nördlich von Norton’s Point an. Sam sprang heraus und zerrte den Bug des kleinen Bootes auf den Strand. «Von hier aus ist es noch ein Stück zu gehen», sagte er, «aber nicht besonders weit.»
    Jin nahm seinen Arm. «Lauft ihr schon voraus. Ich muss vorher noch jemanden aufsuchen.»
    «Hat das mit dem Plan zu tun, den du die ganze Zeit ausbrütest?»
    «Ja. Ich werde es später erklären.»
    Er schaute sie ungläubig an. «Glaubst du wirklich, dass ich dich allein in Norton’s Point herumspazieren lasse, Jin?»
    «Ja, weil im Augenblick Susannahs Sicherheit wichtiger ist. Und ich komme nicht mit euch.» Sie lächelte. «Stell dich nicht so an. Allerdings brauche ich etwas von dem Geld, das Hawks dir gegeben hat.»
    «Jin …»
    Susannah brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. «Bitte entschuldige, wenn das etwas schnippisch klingt, Sam, aber unsere Zeit ist zu knapp, um sie mit überflüssiger Ritterlichkeit zu vergeuden. Wir haben alle größere Probleme

Weitere Kostenlose Bücher