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Brook, Meljean - Die Eiserne See

Brook, Meljean - Die Eiserne See

Titel: Brook, Meljean - Die Eiserne See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammendes Herz
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hinüberstarrten. Bebé Laverne, die einmal die gesamte Crew mit einem Derringer gerettet hatte, der zwischen ihren runden Hinterbacken verborgen gewesen war. Rousseau.
    Ach, liebliche Lady, Rousseau! Sie kniete sich neben ihn, schloss ihm die Augen, strich mit den Fingern seine herrlichen, buschigen Brauen entlang. Wenn sie nur hier gewesen wäre, um an seiner Seite zu kämpfen.
    Ihm war der Bauch aufgeschlitzt worden. Alle Schiffer waren mit Klingen getötet worden – leise und schnell. Sobald ihre Crew sich der Gefahr bewusst geworden war, hatten sie noch zu den Waffen greifen können, aber die meisten waren nicht mehr dazu gekommen, sie auch zu benutzen.
    Wer immer das getan hatte, Yasmeen würde es ihnen mit gleicher Münze vergelten – aber dass das leise und schnell vonstattenging, wollte sie nicht versprechen.
    Als Metall ächzte, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Nein. Sie rannte zum Spill. Die Trosse zitterte vor Spannung. Die Luft um Yasmeen herum flimmerte vor Hitze. Sie biss die Zähne zusammen und stemmte sich gegen die Stahlspake des Spills, half der Maschine mit all ihrer Kraft.
    Es brachte nichts. Sie wusste das. Das Spill war stark genug, um das Schiff nach unten zu ziehen, nicht aber, wenn ein Feuer den Wasserstoff in der Ballonhülle erwärmte und das Gas sich ausdehnte. Das Spill konnte nicht stärker werden – ihre Lady jedoch immer leichter. Bis die Trosse schließlich riss.
    Aber wahrscheinlich explodierte ihre Lady vorher.
    Der Ballon, der schon so fest gespannt war wie das Fell einer Trommel, schien jeden Moment an den Nähten zerreißen zu wollen. Es brauchte nur ein winziges Leck, gerade Luft genug für einen Seufzer.
    Oder einen Schrei. Yasmeen schrie jetzt jedenfalls, drückte mit aller Kraft gegen die Spake, sodass ihre Muskeln vor Anstrengung zitterten. Das Spill drehte sich kein Stück.
    Wieder durchlief ein Beben ihre Lady. Yasmeen rutschten die Füße weg. Ihre Knie krachten auf das Deck. Der Schmerz bohrte sich wie Nägel bis in ihre Schenkel hinauf.
    Aus dem tiefen Grollen unten wurde ein Brüllen.
    Ihr schnürte sich die Kehle zu, und sie lauschte den Flammen, die durch die unteren Decks rasten. Der Bauch ihrer Lady brannte jetzt lichterloh. Vielleicht nur ein kleines Loch im Rumpf, aber nun schoss Luft herein … und es bestand keine Hoffnung mehr, sie zu retten.
    Ein Funke landete neben ihrem Knie. Noch einer. Yasmeen kämpfte sich auf die Füße. Feuer kletterte die Taue zur Ballonhülle hinauf. Jetzt war nicht mehr viel Zeit – und eines musste noch gerettet werden.
    Sie sprang durch die Luke in einen Gang voller Rauch und Flammen hinab. Die Tür zu ihrer Kajüte brannte. Sie barst hindurch.
    Der Stahltresor war geschlossen. Das war alles, was sie wissen musste – aber sie konnte den Weg, den sie gekommen war, nicht mehr zurück. Flammen rollten über die Decke ihrer Kajüte.
    Seit es während Archimedes’ Besuch verstummt war, hatte niemand das Papageienpärchen wieder aufgezogen, und so regten sich die mechanischen Vögel noch immer nicht. Yasmeen riss den Boden des Käfigs ab, passte ihn in das Steuerbordbullauge ein und drehte, bis der Notmechanismus aktiviert wurde. Glas zersprang und Holz zersplitterte, als das Bullauge sich aufdrehte und zu doppelter Größe anwuchs. Mit einer weiteren Drehung konnte sie aus den beiden Bullaugen einen Stand-Tragschrauber formen, aber dazu fehlte ihr die Zeit, und in den Turbulenzen der Flammen kippte er vielleicht noch, und sie wurde in die wirbelnden Rotoren geworfen. Besser, sie sprang ins Hafenbecken und schwamm zum Kai.
    Sie zog sich am Stahlring des Bullauges hoch – und hielt inne, um wie eine sentimentale Närrin ein letztes Mal zurückzublicken.
    In dem Moment, als sie sich abwandte, explodierte ihre Lady.
    Wäre seine Schwester nicht gewesen, Archimedes hätte alles in der Pension zurückgelassen und wäre weitergerannt. Aber unter seinen persönlichen Sachen befanden sich Briefe, die eine Verbindung zu Zenobia herstellten und auch deutlich besagten, wo sie zu finden war – und die Wachsoldatin des Temür Agha hatte nichts mit den plumpen Meuchelmördern gemein, die er bisher geschickt hatte.
    Alles, was Archimedes brauchte, passte in einen einzigen Beutel. Er legte den Ranzen mit der Skizze aufs Bett und kritzelte einen Brief an seine Schwester. Für den Fall, dass sie fliehen musste, hatten sie bereits ein sicheres Versteck bestimmt. Sobald – nein, falls es ihm gelang, würde er sie dort kontaktieren.
    Mit Glück

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