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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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jeder Gelegenheit über Mary. Außerdem gab Miss Kelly Eilis jedesmal, bevor sie ging, einen Laib Brot für ihre Mutter mit, von dem Eilis wusste, dass er altbacken war.
    »Sie muss uns für Hungerleider halten«, sagte ihre Mutter. »Was sollen wir mit altbackenem Brot anfangen? Rose wird fuchsteufelswild werden. Wenn sie das nächstemal nach dir schickt, geh nicht hin. Sag, du hättest was anderes zu tun.«
    »Aber ich hab nichts anderes zu tun.«
    »Es wird sich schon noch eine richtige Arbeit für dich finden. Darum bete ich jeden Tag.«
    Ihre Mutter rieb das altbackene Brot zu Semmelbröseln und nahm sie als Füllung für einen Schweinebraten. Sie verriet Rose nicht, wo die Semmelbrösel herkamen.

    Eines Tages erwähnte Rose, die immer um eins vom Büro heimkam und um Viertel vor zwei wieder zurückging, beim Mittagessen, dass sie am vergangenen Abend mit einem Priester, einemgewissen Father Flood, Golf gespielt habe, der vor Jahren ihren Vater gekannt habe und auch ihre Mutter als junges Mädchen. Er sei aus Amerika da – sein erster Urlaub in der Heimat seit vor dem Krieg.
    »Flood?« fragte ihre Mutter. »Es gab einen Haufen Floods in der Nähe von Monageer, aber ich kann mich nicht erinnern, dass einer von ihnen Priester geworden wäre. Ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist, man sieht heutzutage keinen mehr von ihnen.«
    »Es gibt das Murphy Floods Hotel«, sagte Eilis.
    »Das ist nicht dasselbe«, erwiderte ihre Mutter.
    »Wie auch immer«, sagte Rose, »als er sagte, er würde dich gern besuchen, hab ich ihn zum Tee eingeladen, und er kommt morgen.«
    »O Gott«, sagte ihre Mutter. »Was mag ein amerikanischer Priester wohl zum Tee? Ich werde gekochten Schinken besorgen müssen.«
    »Miss Kelly hat den besten gekochten Schinken«, sagte Eilis lachend.
    »Niemand kauft was bei Miss Kelly«, erwiderte Rose. »Father Flood wird essen, was wir ihm vorsetzen.«
    »Wäre gekochter Schinken mit Tomaten und Kopfsalat in Ordnung oder vielleicht Roastbeef, oder hätte er lieber Spiegeleier mit Bratkartoffeln?«
    »Ihm wird alles recht sein«, sagte Rose. »Mit viel Schwarzbrot und Butter.«
    »Wir werden im Esszimmer essen und das gute Porzellan benutzen. Wenn ich vielleicht ein bisschen Lachs bekommen könnte … Würde er das essen?«
    »Er ist sehr nett«, sagte Rose. »Er wird alles essen, was du ihm auftischst.«

    Father Flood war groß; sein Akzent war eine Mischung aus Irisch und Amerikanisch. Nichts von dem, was er sagte, konnte Eilis’ Mutter davon überzeugen, dass sie ihn oder seine Familie je gekannt hatte. Seine Mutter, sagte er, sei eine Rochford gewesen.
    »Ich glaube nicht, dass ich sie gekannt habe«, sagte ihre Mutter. »Der einzige Rochford, den wir kannten, war das alte Axtgesicht.«
    Father Flood sah sie feierlich an. »Axtgesicht war mein Onkel«, sagte er.
    »Tatsächlich?« fragte ihre Mutter. Eilis sah, dass sie kurz davor stand, vor Nervosität zu lachen.
    »Aber natürlich nannten wir ihn nicht so«, sagte Father Flood. »Sein richtiger Name war Seamus.«
    »Er war wirklich sehr nett«, sagte ihre Mutter. »War es nicht abscheulich von uns, ihn so zu nennen?«
    Rose schenkte Tee nach, während Eilis leise das Zimmer verließ, da sie befürchtete, sie müsste sonst über kurz oder lang laut loslachen.
    Als sie zurückkam, merkte sie, dass Father Flood von ihrer Arbeit bei Miss Kelly gehört und sich schockiert darüber geäußert hatte, wie niedrig ihr Lohn war. Er erkundigte sich nach ihrer Ausbildung.
    »In den Vereinigten Staaten«, sagte er, »gäbe es jede Menge Stellen für jemanden wie Sie, und zwar gut bezahlte.«
    »Sie hatte eigentlich nach England gehen wollen«, sagte ihre Mutter, »aber die Jungen sagten, sie sollte warten, die Zeiten wären dort im Moment nicht rosig, und sie würde vielleicht nur Arbeit in einer Fabrik bekommen.«
    »In Brooklyn, wo meine Pfarre ist, gäbe es Büroarbeit für jemanden, der fleißig und ehrlich ist und eine gute Ausbildung hat.«
    »Es ist allerdings sehr weit weg«, sagte ihre Mutter. »Das ist der einzige Nachteil.«
    »In manchen Vierteln von Brooklyn«, erwiderte Father Flood, »kommt man sich vor wie in Irland. Dort leben jede Menge Iren.«
    Er schlug die Beine übereinander, trank einen Schluck Tee aus der Porzellantasse und sagte eine Weile lang nichts. Das Schweigen, das sich über sie senkte, verriet Eilis, was die anderen dachten. Sie sah zu ihrer Mutter hinüber, die ihren Blick, absichtlich, wie ihr schien, nicht

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