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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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erwiderte, sondern die Augen fest auf den Fußboden gerichtet hielt. Rose, die normalerweise so geschickt ein Gespräch in Gang halten konnte, wenn Besuch da war, sagte ebenfalls nichts. Sie drehte ihren Ring hin und her und dann ihren Armreif.
    »Es wäre eine große Chance, besonders für einen jungen Menschen«, sagte Father Flood endlich.
    »Es könnte sehr gefährlich sein«, sagte ihre Mutter, die Augen noch immer auf den Fußboden geheftet.
    »Nicht in meiner Pfarre«, sagte Father Flood. »Das sind lauter wunderbare Menschen. Ein großer Teil des Lebens spielt sich rund um die Kirche ab, sogar noch mehr als in Irland. Und es gibt Arbeit für jeden, der arbeiten will.«
    Eilis fühlte sich wie als Kind, wenn der Arzt ins Haus kam und ihre Mutter verschüchtert und respektvoll zuhörte. Neu war für sie Rose’ Schweigen; sie sah sie jetzt an, wollte, dass ihre Schwester eine Frage stellte oder eine Bemerkung machte, aber Rose schien wie in einem Traum versunken zu sein. Als sie sie betrachtete, kam Eilis der Gedanke, dass Rose noch nie so schön ausgesehen hatte. Und dann wurde ihr bewusst, dass sie schon jetzt das Gefühl hatte, sie müsse sich an dieses Zimmer, ihre Schwester, diese ganze Szene, wie aus der Ferne erinnern. Während keiner etwas sagte, begriff sie, war irgendwie stillschweigend vereinbart worden, dass Eilis nach Amerika gehen würde. Father Flood war bestimmt zu ihnen eingeladen worden, weil Rose wusste, dass er es organisieren konnte.
    Ihre Mutter war so dagegen gewesen, dass sie nach Englandging, dass diese neue Erkenntnis für Eilis einen Schock bedeutete. Sie fragte sich, ob sich die beiden, wenn sie nicht die Arbeit in dem Laden angenommen und ihnen nicht von ihren allwöchentlichen Demütigungen durch Miss Kelly erzählt hätte, ebenso bereitwillig auf dieses Gespräch eingelassen hätten. Sie bereute, ihnen so viel erzählt zu haben; sie hatte es vor allem deswegen getan, weil es Rose und ihre Mutter zum Lachen gebracht hatte; etliche gemeinsame Mahlzeiten waren dadurch aufgeheitert worden, angenehmer und ungezwungener als irgend etwas sonst seit dem Tod ihres Vaters und dem Auszug der Jungen. Jetzt ging ihr auf, dass sie es ganz und gar nicht lustig fanden, dass sie bei Miss Kelly arbeitete, und sie erhoben keinerlei Einwände, als Father Flood vom Lobpreis seiner Gemeinde zu der Erklärung überging, er glaube fest daran, dass es ihm gelingen werde, für Eilis in Brooklyn eine angemessene Anstellung zu finden.
    In den darauffolgenden Tagen fiel kein Wort über Father Floods Besuch oder die Andeutung des Priesters, dass sie nach Brooklyn gehen könnte, und es war gerade dieses Schweigen, das Eilis davon überzeugte, dass Rose und ihre Mutter über die Sache diskutiert hatten und sie guthießen. Sie hatte nie mit dem Gedanken gespielt, nach Amerika zu gehen. Viele, die sie kannte, waren nach England gegangen und kamen oft zu Weihnachten oder im Sommer zurück. Es war Teil des Lebens in der Stadt. Sie wusste zwar von Freundinnen, die regelmäßig Geldgeschenke oder Kleider aus Amerika erhielten, aber die kamen immer von ihren Tanten und Onkeln, Leuten, die schon lange vor dem Krieg ausgewandert waren. Sie konnte sich nicht erinnern, dass einer von ihnen je in den Ferien in der Stadt aufgetaucht wäre. Es war eine lange Überfahrt, mindestens eine Woche per Schiff über den Atlantik, und sie war bestimmt teuer. Außerdem hatte sie die Vorstellung – sie wusste selbst nicht, warum –, dass Leute, die nach Amerika gingen, richtig reich werden konnten, während die Jungen und Mädchen aus der Stadt, die nach England gegangen waren,normale Arbeit für normale Bezahlung verrichteten. Genauso rätselhaft war es ihr, woher ihre Überzeugung kam, dass diejenigen, die nach Amerika gegangen waren, niemals Heimweh hatten, während die Leute aus der Stadt, die in England lebten, Enniscorthy vermissten. Die nach Amerika Ausgewanderten waren vielmehr glücklich und stolz. Sie fragte sich, ob das wirklich stimmte.

    Father Flood kam nicht wieder zu Besuch; dafür schrieb er, nach Brooklyn zurückgekehrt, ihrer Mutter einen Brief, in dem er berichtete, er habe kurz nach seiner Ankunft mit einem Mitglied seiner Gemeinde, einem Kaufmann italienischer Abstammung, über Eilis gesprochen und wolle Mrs. Lacey darüber informieren, dass bei ihm bald eine Stelle frei werden würde. Nicht im Büro, wie er gehofft hatte, sondern in der Verkaufsabteilung des großen Kaufhauses, das der bewusste Gentleman besaß

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