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Brother Sister - Hoert uns einfach zu

Brother Sister - Hoert uns einfach zu

Titel: Brother Sister - Hoert uns einfach zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Olin
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den Schuppen erreichte, blieb ich kurz stehen, um mir den Schweiß von der Stirn zu wischen, und erst da merkte ich, dass es gar kein Schweiß, sondern Blut war. Viel Blut. Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar und versuchte, an Stirn und Kopfhaut zu ertasten, wie groß die Wunde war. Sie schien tief und lang zu sein, aber wie gefährlich sie wirklich war, konnte ich nicht feststellen.
    Die Sache war die: Ich wollte Mitleid mit ihm haben. Ein Teil von mir wurde fast sentimental, wenn ich daran dachte, wie Keith in meiner Kindheit manchmal richtig nett zu mir gewesen war. Er hatte getan, was er konnte. Mir beispielsweise beigebracht, mit Hammer, Säge und Schraubenzieher umzugehen. Einmal haben wir zusammen ein wackeliges Beistelltischchen gebaut, als ich elf war oder so. Auf seine schräge Art hatte er versucht, den Vater zu spielen. Zum Beispiel wenn er mir seine Lieblingsmusik vorspielte – Deep Purple und Led Zeppelin. Oder Köder an meiner Angel befestigte und mir unten am Hafen auf dem Ponton seines Hausboots zeigte, wie ich sie auswerfen musste.
    Außerdem hatte er mehr für Mom getan als mein Vater. Gar keine Frage. Er hatte sie aus Bars rausgeholt, wenn sie wieder mal um sich geschlagen hatte, und sie in ihrem halb bewusstlosen Zustand nach Hause gefahren. Und er hat ihr nie Vorwürfe gemacht, sondern einfach nur vorsichtig und liebevoll ihre Arme über seine Schultern gelegt, und sie ins Haus, durch die Tür und die Treppe rauf … na ja, mehr getragen als geführt.
    Eigentlich war er gar kein schlechter Kerl gewesen.
    Aber er hatte einen Fehler, einen großen, entscheidenden Fehler. In Bezug auf Asheley war er nämlich total pervers. Ein geiler Bock. Einfach widerlich. Ich weiß nicht, wie oft er im Wohnzimmer auf dem Drehstuhl saß, ein alkoholfreies Bier in der Hand, die Augen von den überdimensionalen Brillengläsern verdeckt, und dachte, niemand würde mitkriegen, dass er jede Bewegung verfolgte, die Asheley am Fußboden auf ihrer Decke machte. Und wie er auf ihren Hintern starrte, wenn sie Shorts trug! Oder in den Ausschnitt ihres Tanktops, wenn sie sich vorbeugte. Wenn er sie umarmte, hab ich gesehen, wie seine Hände immer ein bisschen zu weit ihren Rücken runterfuhren und einen Augenblick auf ihrem Po liegen blieben. Unverzeihlich!
    Total unverzeihlich.
    Außer wenn ich sie direkt darauf ansprach, dachte Asheley sich nichts dabei. An der Stelle tickt sie nicht richtig. Sie möchte so gerne glauben, dass alle immer nur die besten Absichten haben. Sie braucht das. Es ist ihre Reaktion auf den ganzen Scheiß, den wir erlebt haben. Bei mir dagegen hat er dazu geführt, dass ich ganz genau hinsehe, auf Warnsignale achte und immer auf der Hut bin. Sie ist das glatte Gegenteil. Immer auf der Suche nach dem Guten. Sie weigert sich zu sehen, wie verdorben andere sind. Außer wenn jemand sie direkt angreift, hält sie alle für gute Menschen.
    Aber das ist ein Irrtum. Die Menschen sind nicht gut. Männer schon gar nicht. Ganz zu schweigen von Männern, die vollgepumpt sind mit Verlangen. Die kann man total vergessen. Die würden alles tun, um das zu bekommen, was sie wollen. Sie verstellen sich und überschütten dich mit Komplimenten und leeren Versprechen. Und wenn du dich dann in Sicherheit glaubst und ihnen vertraust, zeigen sie plötzlich ihre Klauen und reißen dich in Stücke. Sie nehmen sich, was sie wollen. Deinen Körper. Deine Seele. Alles. Sie schrecken vor nichts zurück. Sie zerstören dich.
    Ich bin froh, dass ich Keith getötet habe, wenn das die einzige Möglichkeit war, Asheley vor ihm zu beschützen. Ich würde es jederzeit wieder tun. Ich würde auch jeden anderen töten, der ihr wehtun will. Jeden, der auf ihren Körper scharf ist und sich ein paar schöne Stunden mit ihr machen will, um sie dann wegzuwerfen.
    Denn genau das würden sie mit ihr tun. Ash mit ihrem vertrauensvollen Lächeln. Die Kerle da draußen warten doch alle bloß darauf, sie in die Finger zu kriegen.
    Wie kann man jemanden, den man liebt, vor einem so übermächtigen Feind schützen? Ist das überhaupt möglich?
    Aber das ist jetzt egal. Vollkommen egal. War es nicht Mitch Hedberg, der mal gesagt hat: »Wenn du jemanden liebst, sperr ihn ein und schmeiß den Schlüssel weg.«? Egal, wer das gesagt hat – er hatte recht. Genau das musste ich jetzt tun. Die Gefahr hatte sich zugespitzt. Ich musste verhindern, dass es zum Äußersten kam, dass Asheley verletzt wurde.
    Der Trick war, sie dazu zu bringen, die Sache

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