Brotherband - Die Bruderschaft von Skandia: Band 1 (German Edition)
durfte. Gort war der Lehrmeister der Seevögel-Bruderschaft, und er würde es gar nicht schätzen, wenn Thorn ihn einfach unterbrach. Also blieb der alte Seebär etwa zwanzig Schritte von dem Jungen entfernt stehen und wartete darauf, dass Gort auf ihn aufmerksam wurde.
Seine Anwesenheit blieb nicht unbemerkt. Tursgud sah ihn als Erster. Er hatte die Kränkung noch nicht vergessen, und sofort dachte er daran, wie Thorn ihn am Hafen am Handgelenk gepackt und gezwungen hatte nachzugeben.
»Was macht der dreckige alte Saufbold denn hier?«, fragte er.
Einer seiner Kameraden drehte sich zu ihm um. »Vielleicht will er sich als Zielscheibe anbieten«, höhnte er.
Tursgud schwang wütend die Axt nach dem Holzpflock und zielte auf eine Stelle, wo das Seil weggeschlagen war. Die Klinge grub sich in das Holz und er musste sie wieder freirütteln.
»Schickt ihn hierher«, sagte er. »Ich sorge dafür, dass er seine andere Hand auch noch verliert!« Die Haie um ihn herum lachten hämisch.
Jarst stand am anderen Ende der Reihe und sprach gerade mit einem Jungen über die Fehler, die er machte. Er blickte verärgert auf, bemerkte Thorn und blaffte dann die kichernden Jungen an.
»Haltet die Klappe und macht weiter!«
Tursgud sah sich unter seinen Kameraden um und verzog gespielt ängstlich das Gesicht. Sie unterdrückten ihr Lachen und setzten ihre Übungen fort.
Thorn stand schon seit einigen Minuten da, als Gort sich schließlich entschloss, von ihm Notiz zu nehmen. Er hatte den Alten zwar sofort gesehen, aber absichtlich nicht auf ihn geachtet und gehofft, er würde sich langweilen und weggehen. Freunde und Verwandte wurden nicht ermutigt, bei der Ausbildung der Bruderschaften zuzuschauen. Und erst recht sah man es nicht gern, dass sie diese störten. Gort kam zu dem Schluss, dass es sinnlos und dumm wäre, so zu tun, als hätte er Thorn nicht gesehen. Wenn der alte Mann gewinkt oder gepfiffen oder ihm zugerufen hätte, hätte er ihm befehlen können zu verschwinden. Doch Thorn stand lediglich da, geduldig und still.
Gort ging zu ihm hinüber. »Was willst du?«, fragte er unhöflich.
Thorn deutete mit dem Daumen auf eine Stelle ein Stück entfernt. »Können wir dort rüber gehen?«, fragte er. »Ich will deine Jungen nicht stören.«
»Das hast du bereits«, sagte Gort.
Thorn schüttelte den Kopf.
»Nein, habe ich nicht«, sagte er freundlich. »Ich stand ganz ruhig hier und es haben mich nicht viele bemerkt. Das wird aber der Fall sein, wenn du deine Stimme nicht senkst.«
Gort musste zugeben, dass Thorn recht hatte. Ungeduldig ging er ein Stück weiter weg.
»Dann komm«, sagte er. Als er sich umdrehte, stellte er überrascht fest, dass Thorn unmittelbar hinter ihm stand. Er hatte den anderen Mann gar nicht gehört.
Thorn lächelte ihn entschuldigend an. Es war unklug, den Mann zu verärgern.
»Also, was willst du?«, wiederholte Gort.
Thorn bemühte sich, ruhig und nicht provozierend zu antworten, auch wenn Gorts schlecht gelaunte Art ihn langsam ärgerte.
»Der junge Hal«, sagte er. »Sein Schwert ist zu schwer für ihn. Und der Schild ist viel zu groß.«
Gort zuckte mit den Schultern. »Er bekommt, was da ist«, sagte er kurz. »Wir haben keine große Auswahl.«
»Manche der anderen Jungen haben gute Waffen«, sagte Thorn.
»Manche der anderen Jungen haben Eltern, die es sich leisten können, sie mit einer ordentlichen Ausrüstung auszustatten«, erwiderte Gort. Er musterte den schäbig gekleideten, unrasierten Mann. »Wenn du willst, kannst du ihm ein ordentliches Schwert kaufen«, sagte er sarkastisch.
»Kaufen vielleicht nicht. Aber ich kann ihm auf jeden Fall eines besorgen«, sagte Thorn. Wenn er den Sarkasmus in Gorts Bemerkung herausgehört hatte, ließ er es sich nicht anmerken.
»Ach ja, und wo würdest du ein Schwert finden?« Gort trat näher zu ihm, die Daumen in den Gürtel gesteckt. Er erwartete, dass Thorn einen Schritt zurück machte, und war überrascht, als dieser das nicht tat.
»In Eraks Lagerraum«, sagte Thorn.
Gort riss die Augen auf. »Im Lagerraum des Oberjarls?«, fragte er ungläubig.
Thorn nickte. »Es gibt nur einen Erak, den ich kenne, und der ist wohl der Oberjarl.«
Gort fiel es schwer zu glauben, dass dieser abgerissene Kerl Zugang zu Eraks Lagerraum hätte. Doch der Mann hatte sehr zuversichtlich geklungen.
Während Gort nachdachte, sagte Thorn: »Noch etwas. Warum lässt du ihn mit einem Schwert üben?«
»Weil er offensichtlich nicht groß genug ist,
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