Broughton House - Haus der Sehnsucht
ganz elend. Halb verärgert, halb verständnislos sah sie ihr Gegenüber an. „Ich bin wegen eines Schwangerschaftsabbruchs gekommen und nicht, um eine Lektion über die Heiligkeit des Lebens zu erhalten“, sagte sie wütend.
Die Frau ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
„Wir sind eine Beratungsstelle für Schwangere und zeigen den Frauen verschiedene Alternativen auf, damit sie ihre eigene Entscheidung treffen können. Meine Aufgabe ist es weder, Sie zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu überreden, noch Ihnen zu einem Abbruch zu raten. Ich bin vielmehr dafür verantwortlich, dass Sie nicht nur die kurzfristigen, sondern auch die späteren Folgen Ihrer Entscheidung erkennen, gleichgültig, wie sie ausfällt. Wir können Ihre Schwangerschaft körperlich beenden. Aber niemand kann Sie vor den seelischen Konsequenzen dieses Schritts bewahren.“
Sie bemerkte Zoes bittere Miene und seufzte leise.
„Glauben Sie mir: Wenn ich Ihnen versichern könnte, dass ein Abbruch alle Ihre Probleme löst und Sie anschließend ohne ein schlechtes Gewissen weiterleben werden, als wären Sie nie schwanger gewesen, würde ich es tun. Dazu müssten wir die Schwangerschaft aber auch aus Ihrem Gedächtnis, aus Ihrer Erinnerung löschen. Und das können wir nicht. Da überwiegend Männer in der Forschung arbeiten, bezweifle ich auch, dass man jemals solch ein Verfahren entwickeln wird“, fügte sie spöttisch hinzu. „Sie haben das Gefühl, dass ich Sie zur Fortsetzung der Schwangerschaft ermuntern möchte. Das stimmt nicht. Dieser Schritt könnte ebenso viel Leid für Sie mit sich bringen wie ein Abbruch. Ich will Sie nur auf die Tatsache vorbereiten, dass Sie in jedem Fall leiden werden. Denken Sie über meine Worte nach, und sprechen Sie mit Ihrem Partner. Lassen Sie ihn eine eigene Entscheidung treffen.“
„Das kann ich unmöglich“, wehrte Zoe ab. „Es wäre nicht fair, Ben damit zu belasten.“
„Sie ziehen es also vor, ihn auf Ihre Kosten zu schützen“, stellte die Frau fest. „Das ist ein sehr gefährliches Verhalten, das zu einer tiefen Verstimmung nicht nur bei Ihnen, sondern auch bei Ihrem Partner führen kann, wenn er die Wahrheit erfährt.“
„Ganz gleich, was Sie sagen“, verkündete Zoe eigensinnig, und ihre Stimme klang vor Verzweiflung gereizt. „Ich habe mich zu einem Abbruch entschieden.“
„Also gut. Ich werde einen Termin für Sie mit unserer Ärztin ausmachen. Es wird mindestens zwei Wochen, vielleicht auch drei dauern, bevor …“
„Wie bitte?“ Entsetzt starrte Zoe die Frau an. „Ich wollte … Ich dachte …“ Erschrocken sprang sie auf.
Sie war fest davon ausgegangen, dass der Abbruch praktisch unmittelbar vorgenommen werden konnte. Dazu waren solche Einrichtungen doch da, oder?
„Tut mir leid“, sagte die Beraterin freundlich. „Wir legen großen Wert darauf, dass die Frauen ausreichend Zeit haben, ihre Entscheidung gründlich zu überdenken, bevor wir den Eingriff vornehmen. Wir haben Ihre Telefonnummer, nicht wahr? Ich werde also einen Termin für Sie ausmachen und Sie anrufen. Die Ärztin wird dann die medizinischen Fragen mit Ihnen durchsprechen.“
Ben rief zehn Minuten nach Zoes Rückkehr in die Wohnung an.
„Wo bist du gewesen?“, fragte er ungeduldig. „Ich habe schon dreimal angerufen.“
„Ich … Äh … Ich musste Überstunden machen“, log Zoe nervös. „Wie geht es Sharon? Wann kommst du zurück?“
Es dauerte einen Moment, bevor er antwortete. Seine Stimme klang noch kühler als zuvor.
„Deshalb rufe ich an“, erklärte er. „Ich komme heute Abend, aber ziemlich spät.“
„Und was ist mit Sharon?“, forschte sie nach. Wieder schwieg er.
„Darüber kann ich jetzt nicht reden. Ich erzähle es dir, wenn ich wieder zu Hause bin.“
Missmutig starrte Zoe auf das Essen, das sie für sich zubereitet hatte und jetzt nicht mehr wollte. Ben würde im Zug essen, hatte er gesagt, weil er nicht genau wusste, wann er fahren konnte.
Sie war erschöpft und niedergeschlagen. Als sie in der Klinik angerufen hatte, war sie davon ausgegangen, hatte sie gehofft …
Ich weiß, was ich will und was ich tun muss, dachte Zoe verärgert. Sie brauchte keine Zeit zum Nachdenken. Das hatte sie schon genug getan. Dir Kopf und ihr Gehirn dröhnten immer noch davon.
Was hatte die Frau beabsichtigt? Hatte sie es ihr noch schwerer machen wollen, als es ohnehin war? Vielleicht hatte die Beraterin recht, und sie würde anschließend Schuldgefühle haben … Vielleicht
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