Broughton House - Haus der Sehnsucht
war, unerreichbaren Ansprüchen hinterherzulaufen; die nicht zuzugeben wagte, dass sie einige Ziele nicht erreichen konnte, die anderen keine Mühe zu bereiten schienen, und die sich lieber in ihr Mauseloch verkroch, anstatt sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen.
Dabei wollte sie diese Vollkommenheit gar nicht mehr, die ihr einst so wichtig gewesen war. Schon der Gedanke an die Kraft, die es kosten würde, an den ständigen Kampf, eine Frau zu sein, die sie nicht war, brachte sie an den Rand des Zusammenbruchs.
Nein, Eleanor wollte einfach so akzeptiert werden, wie sie war. Sie wollte Fehler machen dürfen. Sie wollte verletzlich und menschlich sein und einmal vergessen können, dass ihre Söhne neue Fußballstiefel brauchten. Sie wollte wütend und hilflos sein, wenn sie mit der Feindseligkeit ihrer Stieftochter nicht fertig wurde. Sie wollte eifersüchtig sein und es zeigen dürfen, wenn eine andere Frau es auf ihren Ehemann abgesehen war. Und sie wollte verletzt sein und Angst haben dürfen bei dem Gedanken, dass Marcus ein Verhältnis mit Sondra hatte.
Gereizt sah Marcus auf die Uhr. Der Empfang zog sich länger hin, als er erwartet hatte. Er wollte unbedingt die frühe Abendmaschine erreichen, denn er musste eine Menge Dinge mit Eleanor besprechen.
Er merkte, dass Sondra versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie lächelte ihm unter ihren dichten Wimpern zu, während sie mit einem jungen nervösen Adjutanten flirtete, der vor ihr stand.
Marcus lächelte zurück. Wie hatte er glauben können, dass Sondra ihn besonders reizte? Gewiss, sie war attraktiv. Sie war sich ihrer Sexualität bewusst und auch intelligent. Aber sie war nicht Eleanor.
Entschlossen ging er zu ihr.
„Hören Sie, ich möchte so schnell wie möglich nach London zurück“, verkündete Marcus. „Selbstverständlich brauchen Sie Ihren Aufenthalt deshalb nicht abzukürzen. Sie sollten sich unbedingt noch die Museen und Galerien ansehen. Mir scheint, Sie haben sogar schon einen erheblich besseren Führer als mich dafür gefunden“, fügte er mit einem kurzen Blick auf den Adjutanten hinzu, der ihn eifersüchtig beobachtete.
Sondra versuchte, Marcus von seinem Plan abzubringen. Sie schmollte ein wenig und wandte ein, dass er sicher noch etwas länger bleiben könnte. Doch er schüttelte den Kopf und löste ihre Hand von seinem Arm.
„Nun, wenn Sie unbedingt abreisen müssen …“
„Es geht nicht darum, ob ich es muss“, antwortete er leise.
Marcus verließ Sondra und suchte nach dem Botschafter. Die beiden Männer kannten sich schon länger und unterhielten sich eine Weile. Der Botschafter wollte wissen, ob Marcus von nun an regelmäßig in Brüssel oder Den Haag tätig sein werde. „Das bezweifle ich“, antwortete Marcus. „Ich müsste meine Familie zu oft allein lassen, und zu diesem Opfer bin ich nicht bereit.“
„Was ich Ihnen nicht verübeln kann“, stimmte der Diplomat ihm zu.
Ich habe immer noch einen weiten Weg vor mir, ermahnte Marcus sich, als er das Flugzeug bestieg. Einen verteufelt langen Weg über einen äußerst steinigen Grund. Aber der Anfang war zumindest gemacht. Er wusste jetzt, wohin die Reise führen sollte.
Würde Eleanor bereit sein, ihm auf diesem Weg zu folgen und ihm über die rauen Stellen hinwegzuhelfen? Würde sie ihn führen, falls es einmal nötig werden sollte? Zerknirscht erinnerte er sich an die Worte, die er zu ihr gesagt hatte.
Falls Eleanor das Haus wirklich so viel bedeutete, konnten sie gewiss einen Kompromiss finden. Zum Beispiel eine kleine Wohnung für ihn unterhalb der Woche, bis er den Schritt vom Strafverteidiger zum Richter geschafft hatte.
Als Bezirksrichter wäre er zwar ebenfalls viel von zu Hause fort, und er wäre unaufrichtig, wenn er nicht zugab, dass ihm der Widerstreit der Plädoyers fehlen würde, aber es gab Wichtigeres in seinem Leben. Hoffentlich war es noch nicht zu spät, Vanessa daran zu hindern, seine eigenen Fehler zu wiederholen, und ihr jene Liebe und Sicherheit zu geben, die er ihr bisher unbewusst vorenthalten hatte.
Nell würde ihm den Weg dafür zeigen. Sie würde ihm helfen und ihn dabei unterstützen.
„Und was willst du jetzt tun?“
„Ich weiß es nicht. Wenn Marcus ein Verhältnis mit dieser Amerikanerin hat …“ Hilflos sah Eleanor zu Jade hinüber.
„Was du nicht mit Sicherheit weißt“, erinnerte die Freundin sie.
„Nein“, stimmte Eleanor ihr erschöpft zu. „Aber eines weiß ich bestimmt: Es ist sinnlos, mit dem
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