Broughton House - Haus der Sehnsucht
es mir gar nicht so sehr um die körperliche Untreue. Der Gedanke, dass ich nie weiß, ob Marcus mich wirklich liebt oder ob er nur bei mir bleibt, weil es einfacher für ihn ist, als eine weitere Scheidung durchzustehen, macht mich restlos verrückt. So kann ich nicht weiterleben. Ich brauche Marcus’ Anerkennung ebenso wie seine Liebe. Vor allem muss ich meine Selbstachtung bewahren. Jemanden einseitig zu lieben reicht auf Dauer nicht aus.“
Eleanor stand am Teich und blickte über das Wasser, als Marcus sie entdeckte. Er ging nicht gleich zu ihr, sondern blieb einige Meter entfernt stehen und rief leise ihren Namen.
Eleanor wurde leichenblass und zuckte zusammen. „Marcus! Du bist schon da? Ich …“
„Ich habe einen früheren Flug genommen“, erklärte er schroff.
Instinktiv wich sie in den Schatten zurück. „Woher wusstest du, dass ich hier bin? Ich habe niemandem erzählt, wohin ich fahren wollte.“
„Als du nicht zu Hause wärst, war mir sofort klar, wo ich dich finden würde.“
„Wahrscheinlich bin ich sehr leicht zu durchschauen.“
„Das will ich hoffen“, stimmte Marcus ihr zu.
Seine Stimme und seine Miene verrieten keinerlei Gefühl. Trotzdem bemerkte Eleanor seine Nervosität.
„Wir müssen miteinander reden, Nell“, fuhr Marcus ruhig fort. „Aber zunächst möchte ich dir eine Frage stellen: Liebst du mich noch?“
Eleanor sah ihn lange an. Weshalb fragte Marcus sie das? Vermutlich aus einem Schuldgefühl heraus. Welche Antwort erhoffte er von ihr? Sie zögerte instinktiv. Dann wurde ihr klar, dass es nur eine Antwort für sie geben konnte, so schmerzlich es auch sein mochte.
„Ja, ich liebe dich noch“, antwortete sie mit bebender Stimme.
Eleanor wusste nicht, was sie erwartet hatte. Sicher nicht, dass Marcus auf sie zueilen, sie in die Arme nehmen und sie halten würde, als wäre sie für ihn das Kostbarste auf der Welt. Sein Gesicht war ungewöhnlich gerötet, und seine Hände zitterten ein wenig, während er ihren Körper hinaufstrich und mit den Fingerspitzen so konzentriert ihre Gesichtszüge nachzog, dass er alles andere darüber vergaß.
Eleanor beobachtete ihn. Sie spürte seine innere Erregung und ahnte, dass Marcus ihr eine Seite offenbarte, von der sie bisher nichts gewusst hatte. Eine ungeheure Freude durchströmte sie, ein Gefühl, das über die rein körperliche Reaktion weit hinausging. Marcus zeigte ihr die unverfälschte Substanz dessen, was er wirklich war.
Instinktiv reagierte Eleanor darauf. Sie schmiegte sich enger an ihn und gab ihm stumm zu verstehen, dass sie begriff.
Sie küssten sich nicht leidenschaftlich, sondern langsam und mit wachsendem gegenseitigen Verständnis und wurden trotz aller Verschiedenheiten vollkommen eins.
„Ich liebe dich auch“, flüsterte Marcus mit bebender Stimme. „Wenn du dieses Haus unbedingt haben möchtest …“
Eleanor schüttelte den Kopf. „Das Haus ist mir gar nicht so wichtig“, antwortete sie. „In Wirklichkeit ging es mir um das, was Broughton House für mich darstellen sollte. Du hattest recht, es ist nicht für uns geeignet. Aber weshalb hast du nichts gesagt, Marcus? Weshalb hast du mir nicht erzählt, dass du es nicht wolltest?“
„Ich konnte es nicht“, gab er steif zu. „Ich konnte einfach nicht zugeben, dass ich eifersüchtig darauf war.“ Marcus nahm ihren Arm. „Lass uns spazieren gehen“, fuhr er fort. „Ich muss dir eine Menge sagen.“ Eleanor hörte ihm schweigend zu.
„Du warst eifersüchtig auf Vanessa? Und ich dachte …“ Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Ich dachte, du wärst verärgert, weil ich nicht mit deiner Tochter fertig werde, und gäbst mir die Schuld für ihre Aggressivität. Ich hatte den Eindruck, du würdest mich mit einer anderen Frau vergleichen, der es vielleicht besser gelingen würde, zu Vanessa durchzudringen und eine echte Beziehung zu ihr aufzubauen. Ich kam mir wie eine Versagerin vor, Marcus. Nicht nur gegenüber Vanessa, sondern auch in Bezug auf die Jungen. Sie waren so unglücklich, und ich hatte es nicht einmal bemerkt.“
Eleanor sah Marcus an und erkannte, wie schwer es ihm gefallen war, seine Gefühle zu analysieren, die schmerzlichen Erinnerungen an seine Kindheit wieder auszugraben und sich der tief sitzenden Angst zu stellen, hinter der Zuneigung seiner Frau für seine Tochter zurücktreten zu müssen. Nachdem er über seine Leiden und seine wahren Gefühle gesprochen hatte, verstand sie viel besser. Und sie begriff, weshalb er
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