Broughton House - Haus der Sehnsucht
dass noch alles gut werden würde. Deshalb hatte sie nicht den Mut aufgebracht, ihm zu sagen, dass sie nicht mehr wollte.
Ein Anflug von Panik erfasste Fern. Sie hatte das erschreckende Gefühl, plötzlich aufzuwachen und in einer Welt, in einem Leben gefangen zu sein, das ihr völlig fremd war.
Erleichtert atmete sie auf, als Venice sich endlich an sie wandte und sie kühl betrachtete. „Fern, kommen Sie ins Wohnzimmer. Sie sehen aus, als wären Sie restlos durchgefroren … Sie sind so dünn.“
Und so unscheinbar, so unelegant und eindeutig unbegehrt, fügte Fern stumm hinzu, während Venice ihre Mäntel einem Dienstmädchen reichte, das stumm hinter ihr gewartet hatte.
Außer Venice kannte Fern niemanden, der mitten in der Woche eine Dinnerparty für weniger als ein Dutzend Gäste gab und dazu Personal in Dienstkleidung anheuerte. Nicht einmal Lord Stanton würde so etwas tun.
Venices Wohnzimmereinrichtung diente ebenso wie das restliche Haus einzig dem Zweck, den perfekten Hintergrund für seine Bewohnerin abzugeben. Während andere Leute angesichts der heiklen wirtschaftliche Lage vor einer derartigen Zurschaustellung von Reichtum und Konsumsucht zurückschreckten, war Venice nicht so einfühlsam.
Der Raum war neu dekoriert worden, seit Fern zum letzten Mal hier gewesen war. Sie kniff die Augen ein wenig zusammen angesichts der zahlreichen Schattierungen von sanftem Pfirsichrosa, die übereinanderlagen, sodass das Zimmer von den sanften Farben zu vibrieren schien.
Chiffonvorhänge waren zwar nicht gerade üblich für ein Wohnzimmer, sie wirkten aber zweifellos sehr sinnlich. Man brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Venice nackt auf dem weichen rosa Teppich lag und ihren Liebhaber mit ihren schrägen Augen herausfordernd anlächelte.
Auch meinen Mann? überlegte Fern düster.
„Ich muss Ihnen unbedingt mein Badezimmer zeigen“, hörte sie Venice sagen. „Ich habe ein Wandgemälde vom Canal Grande anfertigen lassen und einem Rahmen herumgelegt. Es sieht aus, als schaute man aus dem Fenster eines alten Palazzo. Manchmal habe ich das Gefühl, die Gondoliere wären echt und könnten mich sehen.“
Sie lachte zu Nick hinauf, klapperte mit den Augenlidern und kümmerte sich nicht mehr um Fern.
Einige Gäste waren schon da. Auch der Arzt und seine Frau, die Fern verhältnismäßig gut kannte. Enge Freunde hatte sie leider nicht in dieser Stadt.
Dabei hatte sie sich darauf gefreut, neue Menschen kennenzulernen, als sie nach ihrer Heirat in dieses Haus zogen. Doch Nick war ungewöhnlich eifersüchtig und besitzergreifend geworden. Deshalb hatte sie den Versuch aufgegeben, eigene Freundschaften zu pflegen.
Zwar kannte sie eine Menge Leute – einige durch Nicks berufliche Kontakte, andere aufgrund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeiten für verschiedene Wohlfahrtsorganisationen. Nick war es sehr recht, wenn sie dort mitarbeitete, denn es kam seinem Ruf zugute. Doch Fern fehlte jemand, dem sie sich anvertrauen und mit dem sie über die Krise hätte reden können, die sie auf sich zukommen sah.
Was sollte werden, wenn Nick tatsächlich ein Verhältnis mit Venice hatte? Ihr Herz begann zu rasen, und ihr Hals schnürte sich zusammen.
Denk gar nicht erst daran, ermahnte sie sich.
Und weshalb nicht? Weil sie Angst davor hatte, etwas unternehmen zu müssen. Weil sie der Wahrheit ins Gesicht sehen und sich fragen musste, wie sie eine Ehe aufrechterhalten sollte, die nur noch ein Zerrbild dessen war, was solch eine Verpflichtung bedeutete.
Das war der springende Punkt. Als sie Nick geheiratet hatte, war sie eine Verpflichtung für das ganze Leben eingegangen. Sie durfte sich nicht einfach darüber wegsetzen, sobald etwas schiefging. Solange Nick behauptete, dass er sie brauchte und wollte, hatte sie nicht das Recht, sich aus dieser Bindung zu lösen.
„Fern, wie geht es Ihnen?“
Benommen fuhr Fern aus ihren schmerzlichen Überlegungen auf und lächelte die Frau des Arztes automatisch an. „Es geht mir gut, Roberta. Und Ihnen?“
„Ich bin froh, dass der Winter mit seiner Grippe fast vorüber ist“, antwortete Roberta Parkinson kläglich. „Dieses Jahr war es besonders schlimm. John hat mehrere ältere Patienten verloren. Geht es Ihnen wirklich gut?“, fuhr sie mit mütterlicher Besorgnis fort. „Sie sind ein bisschen blass.“
„Das liegt sicher an der Hitze in diesem Raum“, wich Fern aus. In Wirklichkeit war ihr die Wärme gerade recht. Sie stand in krassem Gegensatz zu ihrem
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